Von morgen an regiert „Jamaika“. Schwarz-Grün-Gelb bietet Chancen – und Risiken

Jamaika-Koalitionen sind in Deutschland seltener als Koalabären. In Saarland hat es mal einen Versuch gegeben. Nach gut zwei Jahren scheiterte das Bündnis aus CDU, FDP und Grünen vorzeitig. In Schleswig-Holstein könnte es nun eine Premiere geben: Deutschlands erste Jamaika-Koalition, die eine ganze Legislaturperiode durchsteht. Die Chancen sind nicht schlecht. Dennoch bleiben Risiken.

Dass Kiel jetzt auf Karibik macht, hat gute Gründe. Erstens hat die Küstenkoalition, so absurd das zunächst klingen mag, den Boden für Dreierbündnisse bereitet. SPD, Grüne und SSW haben in den vergangenen fünf Jahren gezeigt, dass auch mehr als zwei Partner effektiv regieren können. Für das moderne Schleswig-Holstein war das eine durchaus neue Erkenntnis. Das letzte Koalitionstrio hatte es vor mehr als 50 Jahren gegeben.

Zweitens hat sich im Landtag trotz der teilweise scharfen Rededuelle in den vergangenen Jahren eine Kultur des Miteinanders entwickelt. Die maßgeblichen politischen Akteure kennen sich teilweise schon seit Jahrzehnten. Daniel Günther, Monika Heinold und Heiner Garg brauchen keine Kennenlernphase. Jeder weiß, was der andere kann – und was nicht. Ähnliches gilt für die Abgeordneten. Außenstehenden muss man das erklären. Das Parlament eines Flächenlandes funktioniert anders als ein Stadtparlament. Während der Landtagssitzungen nächtigen fast alle Abgeordneten in Kieler Hotels. Manchmal erinnert die Stimmung im Sitzungssaal an die einer Klassenfahrt. Quer durch alle Fraktionen haben sich Freundschaften entwickelt.

Drittens ist „Jamaika“ für alle drei Parteien ein Gewinn. Die CDU kann endlich wieder den Ministerpräsidenten stellen. Der letzte Christdemokrat in diesem Amt, Peter Harry Carstensen, gehörte noch zur Generation von Uwe Barschel. Daniel Günther verkörpert eine andere, modernere CDU. Manche hoffen, dass er eine zweite Goldene Ära der Partei einleiten könnte. Von 1950 bis 1988 hatten alle schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten das CDU-Parteibuch.

Die Grünen können als Regierungspartei weitermachen. Auch die Öko-Partei findet Opposition mittlerweile wenig reizvoll. Sie stellt mit Monika Heinold und Robert Habeck zwei hoch erfahrene Minister – doppelte Garantie dafür, dass die Grünen in dieser Koalition nicht untergebuttert werden.

Auch die FDP darf sich freuen. Sie wird wieder Regierungspartei. Abgesehen von einem nicht sonderlich glücklichen Zwischenspiel von 2009 bis 2012 war das zuletzt 1971 der Fall. Eine Zahl, die für sich spricht.

Alles gut also? Die Koalition wirkt derzeit wie ein junges Paar, das sich ganz doll auf den bevorstehenden Einzug in die erste gemeinsame Wohnung freut. Ja, es muss noch ein bisschen renoviert werden. Manches übernimmt man aber auch vom Vormieter. Weil es praktisch ist, weil Zeit und Geld fehlen – und weil die Freude einfach so groß ist. „Das können wir ja auch später noch machen“, sagen sich die Partner.

Also bleibt zum Beispiel das Landesnaturschutzgesetz zunächst so, wie es die Küstenkoalition umgebaut hat. Also bleibt die Grunderwerbssteuer zunächst auf dem hohen Niveau, das die Küstenkoalition beschlossen hat.

Aber irgendwann hat sich die Freude über die erste gemeinsame Wohnung erschöpft. Man kommt nach Hause und stellt fest, dass manche Hinterlassenschaften des Vormieters nerven. Dann wird es problematisch – bei Ehe- wie bei Koalitionspartnern.