Will der HSV aus dem Millionen-Wahnsinn für neue Profis aussteigen, muss er sich von seinem Geldgeber lösen.
In Mainz-Hechtsheim gibt es einen Schnäppchenmarkt. So nennt sich das Geschäft, das Haushaltswaren aller Art anbietet und mit dem Slogan wirbt: „Wir machen das Einkaufen zum Vergnügen.“ 6,2 Kilometer weiter nördlich, in Mainz-Bretzenheim, wurde am Donnerstag ebenfalls mit Vergnügen auf dem Schnäppchenmarkt zugeschlagen. Das Schnäppchen nennt sich René Adler, arbeitete bis vor Kurzem als HSV-Torhüter, spielte 13-mal für die deutsche Nationalmannschaft und besitzt einen Marktwert von zwei Millionen Euro. Auf der Geschäftsstelle des FSV Mainz 05 ist man sich sicher, dass man ein echtes Schnäppchen geschlagen hat. Ablösefrei wechselt der 32-Jährige zum Bundesligakonkurrenten des HSV. Die Mainzer zahlen nur die Hälfte des Gehalts, das die Hamburger fünf Jahre lang an Adler überwiesen.
Will man beim HSV in den vergangenen Jahren Transfergeschäfte in ähnlicher Form finden, muss man in den Bilanzen etwas länger zurückblättern. Ganze vier Spieler haben die Hamburger in den vergangenen fünf Jahren ablösefrei verpflichtet. Im Januar 2016 kam Nabil Bahoui von Al-Ahli Dschidda aus Saudi-Arabien. Beim HSV floppte der Schwede. Im Juli 2015 kam der vereinslose Emir Spahic. Anfang des Jahres wurde der 36-Jährige rausgeschmissen. Im Juli 2014 kam Kerem Demirbay von Borussia Dortmund II. Beim HSV fand man für den heutigen Nationalspieler keine Verwendung. Und dann war da noch ein gewisser René Adler, der im Juli 2012 ablösefrei von Bayer Leverkusen nach Hamburg kam.
Es war das Jahr, in dem der HSV mithilfe eines Darlehens von Unternehmer Klaus-Michael Kühne erstmals im großen Stil investierte und für die Rückkehr von Rafael van der Vaart 13 Millionen Euro zahlte. 126,5 Millionen Euro ließ sich der Club seit diesem Jahr seine festen Neuzugänge kosten. Häufig half Kühne mit Darlehen aus. Ein echtes Schnäppchen war bei den Kühne-Transfers bislang nicht dabei.
Die besten Zugänge, die der HSV gemessen am Preis-Leistungs-Verhältnis in den vergangenen Jahren für sich gewinnen konnte, waren Torhüter Christian Mathenia (800.000 Euro) und Stürmer Bobby Wood (3,5 Millionen Euro). Beide Spieler verpflichtete vor einem Jahr der damalige Sportchef Peter Knäbel zu einem Zeitpunkt, als der HSV noch mit eigenen Mitteln wirtschaften musste. Mathenia ist nach Adlers Abgang die Nummer eins, Wood könnte seine Ablöse bei einem Wechsel mehr als verdreifachen. Alle anderen Millionen-Transfers, die mit Kühnes Hilfe umgesetzt wurden, drohen für den HSV ein Verlustgeschäft zu werden.
Was daraus zu schließen ist? Mit der Hilfe von Investor Kühne einkaufen zu gehen, gleichzeitig Schnäppchen zu finden und einen Sparkurs zu verfolgen ist nicht in Einklang zu bringen. Wer auf einen Flohmarkt geht und beim Versuch eines Schnäppchenkaufs sein gefülltes Portemonnaie zeigt, wird es eben auch schwer haben, den Schnäppchenpreis zu erzielen. Wenn Milliardär Kühne dem HSV seine finanzielle Hilfe öffentlich anbietet, sich parallel dazu Spielernamen wünscht und die HSV-Verantwortlichen auch noch zu Langsamkeit in den Verhandlungen ermahnt, werden die Verantwortlichen nicht in der Lage sein, Spieler unter Marktpreis nach Hamburg zu holen. Im Gegenteil. Die bevorstehenden Transfers von Torhüter Julian Pollersbeck (3,5 Millionen plus Bonuszahlungen) und Kyriakos Papadopoulos (6,5 Millionen Euro plus Bonuszahlungen) demonstrieren erneut, dass der HSV in dieser Konstellation finanziell kaum gesunden wird.
Will sich der Club aus seiner misslichen wirtschaftlichen Lage befreien, darf er es deshalb auch nicht zulassen, dass Kühne künftig auch noch die Gehälter der Spieler bezahlt. Dem HSV muss es perspektivisch gelingen, finanziell wieder eigenständig handlungsfähig zu werden. Damit das Einkaufen wieder zum Vergnügen wird.
Es ist die größtmögliche Herausforderung für Clubchef Heribert Bruchhagen. Echte Schnäppchen wird der HSV auf dem Markt in dieser Lage nicht finden. Es ist der hohe Preis, den der HSV für seine Zusammenarbeit mit Kühne zahlt.