Kann man innerhalb eines halben Jahres von einem relativ unbekannten Politiker zum Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins werden? Daniel Günther könnte es. Das hat viel mit einer sehr klugen Strategie des 43 Jahre alten Mannes aus Eckernförde zu tun, aber noch mehr mit dem bisherigen Landesvater.
Torsten Albig hat im Wahlkampf zu viele Fehler gemacht. Er wirkte über weite Strecken der vergangenen Wochen seltsam unbeteiligt, verprellte in einem sehr persönlichen Interview mit der Zeitschrift „Bunte“ etliche Wählerinnen, als er über die Trennung von seiner Frau und über die bevorstehende Ehe mit seiner neuen Lebensgefährtin sprach. Und er schaffte es trotz Ministerpräsidenten-Bonus und politischer Erfahrung nicht einmal, das TV-Duell gegen Daniel Günther zu gewinnen. Im Gegenteil: Je näher die Wahl rückte, desto fokussierter und kompetenter wirkte der junge Herausforderer, der schlau auf die beiden wichtigsten Themenfelder setzte: auf die Bildung und den Verkehr.
Neue politische Stimme im Norden
Während es bei Albig vor allem menschelte, etablierte sich Günther so als neue politische Stimme im Norden. Dass ihm sein Erfolg ausgerechnet in einer Zeit gelingt, in der die SPD auf ihren Kanzlerkandidaten und den sogenannten Schulz-Zug hofft, zeigt, wie dramatisch die Niederlage für die Sozialdemokraten ist. Statt eines Schulz- hat es einen Merkel-Effekt in Schleswig-Holstein gegeben, auch das etwas, was den Strategen in der SPD zu denken geben wird.
Unvorstellbar ist, dass Torsten Albig nach diesem Desaster Ministerpräsident bleiben wird, auch wenn das rein rechnerisch über die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP möglich wäre. Sowohl die tatsächliche grüne Spitzenkandidatin Monika Heinold als auch der heimliche Spitzenkandidat Robert Habeck haben gestern Abend gesagt, dass sie trotz der Verluste der SPD eine solche Konstellation befürworten würden.
Aber es wäre schon absurd, wenn ausgerechnet der andere große Wahlsieger des Abends, Wolfgang Kubicki, Albig und/oder seine SPD an der Macht halten würde. Schließlich hat sich der Spitzenkandidat der FDP wie kein anderer über die Auftritte und die Leistung des bisherigen Ministerpräsidenten und dessen Küstenkoalition lustig gemacht. Kommt hinzu, dass es vor der Bundestagswahl nicht der cleverste Schachzug wäre, als FDP der CDU eine Regierung zu verderben. Eine Jamaika-Konstellation aus CDU, Grünen und FDP könnte dagegen sogar ein Modell für Berlin werden.
Vor allem eine Wahl gegen die SPD
Wird Kubicki Robert Habeck, zu dem er ein gutes Verhältnis hat, von Jamaika überzeugen können? Für den beliebtesten Politiker Schleswig-Holsteins, also für Habeck, gibt es zu einer Regierungsbeteiligung keine Alternative. Dann wäre der bisherige Umweltminister, der nicht für den Landtag kandidiert hat, erst einmal raus aus dem politischen Geschäft.
Überhaupt dürften auch die Grünen erkennen, dass diese Wahl vor allem eine Wahl gegen die SPD und ihren Ministerpräsidenten war: Denn die anderen Parteien der bisherigen Küstenkoalition, eben die Grünen und der SSW, haben ihre Ziele mehr oder weniger erreicht. Es ging den Wählerinnen und Wählern offensichtlich um einen Wechsel an der Spitze, sowohl personell als auch inhaltlich. Diesen Willen umzusetzen, kann nur mit Daniel Günther und der CDU gelingen. Jede andere Entscheidung würde sowohl den Grünen als auch der FDP übel genommen werden. Mit Recht!