Ein Neuanfangin der Zweiten Liga, junge Spieler, die stolz die Raute tragen – davon träumen viele. Aufwachen, bitte.
Es riecht nach Untergang. „Hätte der HSV den Abstieg dieses Mal verdient?“, fragte das Hamburger Abendblatt in dieser Woche seine Leser – und 77 Prozent antworteten mit Ja. Ein bitterer Wert. Früher stand gefühlt die halbe Stadt auf und wehrte sich gegen den erstmaligen Gang in die Zweite Liga. Aber vier Jahre in Folge um die Klasse kämpfen zu müssen und zwei Relegationen mit mehr Glück als Verstand zu überstehen – das ermüdet. Nicht nur die Fans, sondern nebenbei auch die Medien. Jede Saison eine „Rettet den HSV“- oder „Niemals Zweite Liga“-Aktion aufzulegen ist schließlich auch keine Lösung.
In der Wahrnehmung vieler Menschen – gerade außerhalb Hamburgs – wirkt der HSV wie ein Bankräuber, der den Polizisten mehrfach in letzter Sekunde entwischen konnte und nun endlich im Unterhaus seine gerechte Strafe absitzen soll. „Nicht mal absteigen kann der HSV“, lautete ein Kommentar, als die Hamburger 2014 die Relegation gegen Fürth ohne Sieg überstanden. Bei einer erneuten Pleite gegen Mainz am Sonntag aber stünde der Club endgültig kurz vor der Verhaftung.
Hoffnung macht eigentlich nur, dass der HSV gerade dann positiv überraschte, wenn niemand daran glaubte und er gerade in den Heimspielen (Gladbach, Köln, Hoffenheim) Stärke zeigte. Aber ob die gerade getadelten HSV-Ultras jetzt noch auf Kurs bleiben?
Der HSV im Trainingslager in Rotenburg
Abstieg würde Abhängigkeit zu Kühne vergrößern
„Vielleicht wäre es auch mal ganz gut für den HSV in der Zweiten Liga“ ist ein Satz, der in diesen Tagen ebenfalls häufig zu hören ist, auch von HSV-Sympathisanten. Sie hoffen darauf, dass ihr Verein einen Abstieg als Chance für einen echten Neuanfang begreift, mit deutlich reduzierterem Etat und möglichst jungen, hungrigen und bescheiden auftretenden Spielern, die mit Stolz und Demut die Raute tragen.
Klingt in der Theorie nicht schlecht, ist aber leider völlig realitätsfern. Was wird wahrscheinlich passieren, sollte es den HSV tatsächlich erwischen? Der HSV würde mit Macht versuchen, einen (teuren) Kader zusammenzustellen, der in der Zweiten Liga eine Chance hat, um den Titel zu spielen und den Absturz als Betriebsunfall aussehen zu lassen. Ähnlich haben in dieser Saison die Bundesliga-Absteiger VfB Stuttgart und Hannover 96 gehandelt, die zum Aufstieg verdammt sind.
Natürlich kämen Heribert Bruchhagen & Co. schnell auf die Idee, bei Klaus-Michael Kühne vorstellig zu werden – in der Hoffnung, dass dieser nicht endgültig die Lust an seinem Hobby verloren hat. Mit anderen Worten: Die Abhängigkeit zum Investor dürfte sich eher noch verstärken als verringern. Ein finanzielles Desaster wäre der Abstieg in jedem Fall. Abgesehen davon, dass die Spielerwerte drastisch sinken würden, verlöre der HSV über Jahre Millionen in der TV-Vermarktung.
HSV kann sich Papadopoulos nicht leisten!
Nein, ein Abstieg brächte unterm Strich keine Vorteile, im Gegenteil. Umgekehrt wäre es im Falle des Klassenerhalts dringend notwendig, endlich einmal einige Strategien und Aktionen zu überdenken. Wer beispielsweise öffentlich ankündigt, dass Herr Kühne bereit sei, auch in der kommenden Saison auf Einkaufstour zu gehen, verdirbt sich die Handlungsposition bei Transfers.
Dabei wäre es längst an der Zeit, nicht wieder Spieler überteuert einzukaufen. Von acht Millionen Euro Ablöse an Bayer Leverkusen ist bei Kyriakos Papadopoulos die Rede. Ein Wahnsinn! Für die Hälfte der Summe müsste es möglich sein, adäquaten Ersatz für den Griechen zu verpflichten. Billig hergeben, dafür teuer (und mittelmäßig) einkaufen, so lautete oft die Devise bei Spielertransfers, die den Club letztlich in finanzielle Schieflage brachten.
Wo wir gerade bei „Wünsch dir was“ sind: Spieler aus der zweiten Reihe kurz vor dem Saisonende vom Profi-Trainingsbetrieb zu suspendieren, was dann zur Folge hat, dass deren Berater öffentlich abpesten, fördert gerade nicht die Konzentration auf das Wesentliche, sondern nur das gerne bemühte Image des Chaos-Clubs.