Unruhige Zeiten in der Handelskammer. Die neuen Mächtigen müssen jetzt liefern

Mitte Februar nach dem Erdrutschsieg bei den Wahlen zum Plenum der Handelskammer herrschte bei den Siegern Champagnerlaune. 55 von 58 Sitzen konnte das Bündnis „Die Kammer sind wir“ erringen. Vertreter von unbekannten Kleinunternehmen verdrängten prominente Wirtschaftsvertreter wie Flughafenchef Michael Eggenschwiler oder Budni-Miteigentümer Cord Wöhlke. Für Hamburgs Wirtschaft kam das Ergebnis einer Revolution gleich, für die Kammerbeschäftigten war es unbegreiflich. Außenstehende wunderten sich zwar über die Höhe des Sieges. Dass die sogenannten Rebellen aber die Macht am Adolphsplatz übernehmen würden, damit hatten nicht wenige von ihnen gerechnet. Denn schließlich zielten die zentralen Wahlversprechen auf etwas ab, das gerade Kaufleuten besonders am Herzen liegt: das eigene Portemonnaie.

Beinahe täglich trat der mittlerweile zum Kammerpräses gewählte Chef der „Rebellen“, Tobias Bergmann, vor die Öffentlichkeit und wiederholte seine beiden Versprechen. Der aus seiner Sicht überbezahlte Hauptgeschäftsführer sollte auf rund zwei Drittel seines Gehalts verzichten oder durch einen preiswerteren Nachfolger ersetzt werden. Und die Pflichtbeiträge sollten auf null sinken. Der ungeliebte Hauptgeschäftsführer wird nun nächste Woche seinen Job tatsächlich verlieren – sein Gehalt allerdings nicht. Denn er hat noch einen gültigen Vertrag bis Ende 2019. Mehr als eine Million Euro wird diese Freistellung die Kammer kosten – ein teurer Schachzug der neuen Machthaber. Denn sie müssen auch noch einen Nachfolger für das Hauptamt finden, der weitere 150.000 Euro im Jahr verdienen soll. Zum angekündigten Sparkurs will diese Aktion nicht so recht passen. Aber gerade Geld hätte die Kammer dringend nötig, schließlich sollen ja auch noch die Pflichtbeiträge abgeschafft werden.

Bleibt die Frage: Können diese Pflichtzahlungen überhaupt auf null gesenkt werden, ohne dass die Kammer vor der Pleite steht? Präsidium und Plenum wollen nun eine Prüfkommission einsetzen, um sich ein genaues Bild über die finanzielle Lage und die Einsparmöglichkeiten zu verschaffen. Das ist vernünftig, darf aber nicht davon ablenken, dass das Wahlversprechen („Pflichtbeiträge werden abgeschafft“) steht – denn diese Zusage war die Grundlage für den Kantersieg. Übrigens sind die Bilanzen der Kammer kein geheimes Machwerk, sondern für jeden einsehbar – das waren sie auch schon vor den Wahlen. Und wer sich mit den Zahlen ein wenig beschäftigt, der erkennt auch ohne Prüfkommission, dass das Abschaffen der Pflichtbeiträge den finanziellen Super-GAU für die Kammer bedeuten würde.

Rund 40 Millionen Euro nimmt die Kammer jedes Jahr über Pflichtbeiträge ein – und schaut man auf den Jahresverlust von rund fünf Millionen Euro, dann wird schnell klar, das dieses Geld auch dringend benötigt wird. Hinzu kommen Pensionsverpflichtungen, für die weitere hohe Rückstellungen gebildet werden müssen. Der Plan, die Pflichtabgaben durch freiwillige Beiträge zu ersetzen, ist beim Blick auf diese Summen unrealistisch. Bliebe ein radikaler Sparkurs einhergehend mit massiven Stellenstreichungen. Doch auch dieser würde wegen hoher Abfindungen sowie Kündigungsschutzklagen teuer und langwierig. Betrachtet man die große Diskrepanz zwischen Finanzlage und teuren Versprechen, dürfte der Champagner von der Siegerparty der Vergangenheit angehören. Leitungswasser wäre jetzt passender.