Terror, G20: Noch nie gab es für Hamburgs Sicherheitskräfte so große Herausforderungen – wann handelt die Politik?
Die Herausforderungen an die Sicherheitsbehörden sind dramatisch gestiegen: Terroranschläge wie auf den Berliner Weihnachtsmarkt, zunehmender politischer Extremismus, religiöse Fanatiker, die Flüchtlingskrise, Cyberkriminalität, organisierte Kriminalität, zunehmende Alltagskriminalität wie Einbrüche und so weiter und so fort.
Vor diesem Hintergrund sollte man annehmen, dass die Polizei Hochkonjunktur hat und fast alles möglich gemacht wird, um optimale Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Sicherheit der Menschen gewährleistet werden kann. Weit gefehlt – zumindest wenn man den Blick auf eine Millionenmetropole wie Hamburg richtet.
Da wird das Projekt „Einstellungsoffensive EO300+“ geboren. Tatsächlich aber gibt es im Doppelhaushalt keine einzige zusätzliche Stelle für die Polizei. Die Einstellungsoffensive ist allein der Tatsache geschuldet, dass es exorbitant hohe Pensionierungsabgänge gibt, die durch zusätzliche Einstellungen kompensiert werden sollen. Über 200 Polizeivollzugsstellen sind derzeit unbesetzt, hinzu kommen etwa 70 Stellen bei den Polizeiangestellten. Und die Situation an der Polizeiakademie: vollkommen unzureichend. Es fehlen Fachlehrer, Hörsäle, Umkleideräume, Einstellungsberater, und der personalärztliche Dienst kann die Eignungsuntersuchungen nicht zeitnah durchführen. Abhilfe wäre möglich: Die demnächst frei werdende Musikhochschule in der City Nord wäre geeignet als neuer Standort für ein Polizeiausbildungszentrum, und das UKE könnte die Eignungsuntersuchungen für die Polizeianwärter übernehmen. Und warum passiert nichts? Weil niemand etwas entscheidet. Eine Einstellungsoffensive ohne Entscheidungsoffensive ist nichts wert.
Und was geschieht in einer Stadt wie Hamburg, die Anfang Juli beim G20-Gipfel vor einem der größten Polizeieinsätze ihrer Geschichte steht? Alle Beteiligten in der Polizei gehen an ihr Limit – sind engagiert, leisten unzählige Überstunden, versuchen alles möglich zu machen, um die Stadt vor Krawallen zu schützen. Und im Hintergrund agieren die politisch Verantwortlichen mit einer Lethargie, die erschreckend ist.
Wie sieht die nächste tolerante, liberale und weitsichtige staatliche Hilfestellung für militante Protestler aus? Irgendwie müssen Krawallmacher doch angemessen untergebracht werden – vielleicht in staatlich organisierten Großcamps in Parks und nicht zu weit weg vom eigentlichen Veranstaltungsort, weil zu lange Wege für Protestler nicht zumutbar sind? Bürgermeister Scholz hat mal formuliert: „Wir sind liberal, aber nicht doof!“ Es kommen einem langsam Zweifel an dieser Aussage, zumindest steht sie nicht voll im Einklang mit dem Handeln des Senats!
Die Überstundensituation in der Hamburger Polizei hält sich dauerhaft auf dem dramatisch hohen Niveau von aktuell 1.050.000 Stunden. Trotz zusätzlicher finanzieller Mittel für die Auszahlung von Überstunden wird sich die Lage weiter verschlechtern.
Ausschlaggebend hierfür sind die Vorfeldmaßnahmen des G20-Gipfels wie zusätzliche Objektschutzmaßnahmen, Demonstrationen und Veranstaltungen, Aktionen aus der linksextremistischen Szene und die sich daran anschließende komplette Urlaubssperre für die Hamburger Polizei von mehr als zwei Wochen.
Hinzu kommt, dass sich die Polizei vor dem Hintergrund der terroristischen Bedrohungsszenarien bei Großereignissen wie dem Hafengeburtstag, dem Alstervergnügen oder sportlichen Veranstaltungen sich ebenfalls neu aufstellen muss. Hier wird es zu Veränderungen kommen, die natürlich nur einhergehend mit einem deutlich gestiegenen Personalansatz zu bewältigen sind. Die Frage ist nur: Wie soll das noch bewerkstelligt werden? Meine Kolleginnen und Kollegen sind auch Mütter, Väter, haben Freunde, haben Anspruch auf ein soziales Umfeld, ein Privatleben.
Ich sage es so, wie viele Polizisten es mittlerweile denken, fühlen und spüren: Es reicht! Wir sind am Limit angekommen. Es muss sich etwas ändern, und nicht nur in „Sonntagsreden“, sondern spürbar und nachhaltig. Ansonsten werden die Auswirkungen eines solchen unverantwortlichen Verhaltens Konsequenzen nach sich ziehen.
Joachim Lenders (CDU) ist Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft