Noch boomt der Wohnungsbau in Hamburg. Doch die Stadt braucht dringend Flächen.
Man muss nicht jede Statistik kennen, um zu wissen, dass in Hamburg im vergangenen Jahr Tausende neue Wohnungen an ihre Mieter oder Eigentümer übergeben wurden. Ob es am Ende mehr als 10.000 Einheiten sein werden, wie Politik und Bauwirtschaft im Bündnis für das Wohnen vereinbart haben, darüber wird im Mai Klarheit herrschen. Dann veröffentlicht das Statistikamt Nord die Zahl der im Jahr 2016 errichteten Wohnungen.
Wenig hellseherischer Fähigkeiten bedarf es auch, um vorauszusagen, dass sich in den kommenden zwei, drei Jahren an dem Bauboom in der Hansestadt nichts ändern wird. Im vergangenen Jahr wurde der Bau von fast 12.500 Wohnungen genehmigt. Im Jahr zuvor waren es fast 9600 gewesen. Alle diese Wohnungen drängen in nächster Zeit auf den Markt und werden ihre Abnehmer finden.
Druck auf den Wohnungsmarkt verringern
Allerdings diskutierten die Experten längst darüber, ob der Bau so vieler Wohnungen am Ende wirklich dazu führt, den Druck auf dem Wohnungsmarkt der Hansestadt zu verringern. Selbst die regierenden Sozialdemokraten scheinen sich da nicht zu 100 Prozent sicher zu sein. Sonst hätten sie nicht Maßnahmen wie eine Mietpreisbremse beschlossen.
Andere Fachleute warnen dagegen längst davor, in den Leerstand hineinzubauen. Sie treibt die Sorge um, dass sich irgendwann der Wind drehen und die Wohnungen, die in weniger guten Lagen stehen, leer bleiben könnten. Die Geschichte des Wohnungsbaus sei von einem steten Auf und Ab geprägt.
Gegenwärtig kann davon jedoch keine Rede sein. Hamburgs Einwohnerschaft wächst – in etwa um 40.000 Menschen je Jahr, und im rot-grünen Senat rechnet man längst mit zwei Millionen Einwohnern bis zum Jahr 2030. Die Hinzugezogenen müssen wohnen – und sorgen so dafür, dass trotz Tausender neuer Wohnungen die Nachfrage (noch) höher bleibt als das Angebot.
Fast 60.000 Wohnungen seit 2011 genehmigt
Seit 2011 wurde der Bau von fast 60.000 Wohnungen genehmigt. Das ist deutschlandweit zwar Spitze und vorbildlich – umfasst aber nicht einmal zwei Jahreszuwanderungsraten. Auch deshalb legen sich Bezirksämter, Senat und Bauwirtschaft mächtig ins Zeug. Das Abendblatt stellt von heute an in einer Serie zehn Wohnungsbauprojekte vor. An einigen wird schon kräftig gewerkelt, andere sind in der Planung.
Dabei zeigen sich Vor- und Nachteile einer Metropole, wie Hamburg eine ist. Die Vorteile liegen unbestritten in ihrer großen Urbanität, in ihrem gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehrsnetz und einer gut entwickelten Infrastruktur. Neue Wohngebiete können sich so rasch und erfolgreich in die Stadt einpassen.
Bauflächen gehen aus
Der größte Nachteil Hamburgs liegt in seiner Begrenztheit. Bauwilligen drohen schlicht die Flächen auszugehen. Wohnungsunternehmen, Immobilienverbände und Baufirmen beklagen inzwischen unisono den Mangel an bebaubarem Grund. In den Bezirken dürfte manch Verantwortlicher klagen: „Woher nehmen und nicht stehlen!“ Schon wächst die Sorge, dass die Zahl der Baugenehmigungen in zwei, drei Jahren deutlich sinken könnte.
Keine Frage: Die Stadt ist gefordert. Grünflächen am Stadtrand, der Osten der Metropole oder das Überbauen von S- und U-Bahn-Linien – Gedankenspiele gibt es einige. Ruhig ist es dagegen um den Kleinen Grasbrook geworden. Im Rahmen der Olympiabewerbung sollten dort bis zu 8000 Wohnungen entstehen. Angesichts der sich abzeichnenden Flächennot dürfte sich in naher Zukunft eine Frage in den Vordergrund drängen: Kann man die Wohnungen auf dem Kleinen Grasbrook nicht auch ohne Olympia bauen?