Wer Kurt A. Körber beurteilt, muss seine Verfehlungen sehen – und Verdienste.

Kurt A. Körber ist in Hamburg auch 24 Jahre nach seinem Tod noch präsent. Eine Straße ist nach dem Bergedorfer Unternehmer benannt, ebenso ein Gymnasium. Vor den Deichtorhallen, deren Restaurierung er maßgeblich unterstützte, ragt bis heute eine Plastik mit zwei ineinandergeschlungenen Ringen empor – sein Firmenlogo. Schließlich war Körber ein überaus großzügiger Stifter, dessen Mäzenatentum vom Wiederaufbau des Thalia Theaters bis zur Förderung des technischen Nachwuchses durch den Bau einer Fachhochschule reichte und bis heute in der Körber-Stiftung andauert. Der finanzielle Einsatz für seine Wahlheimat Hamburg trug ihm 1991 die Ehrenbürgerschaft ein.

Ein Fehler? Völlig unverdient? Muss das Bild des erfolgreichen Unternehmers der Nachkriegszeit, der 1946 die Hauni Maschinenfabrik gründete und aus ihr einen Weltkonzern machte, nun korrigiert werden wegen überraschender Enthüllungen über seine Nazi-Vergangenheit? Diesen Eindruck kann man gewinnen angesichts der Empfehlung der Kommission, die im Auftrag der Bergedorfer Bezirksversammlung die NS-Belastung untersucht – und zur Umbenennung der Kurt-A.-Körber-Chaussee rät. Als Prokurist der Dresdner Universelle-Werke müsse er vom Einsatz der Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge gewusst und diesen „moralisch mitverantwortet“ haben.

Neu sind die Vorwürfe nicht

Nur: Neu sind die Vorwürfe keineswegs. Schon vor Jahren hat die renommierte Hamburger Forschungsstelle für Zeitgeschichte die Vergangenheit des NSDAP-Mitglieds Körber erforscht. Und die Körber-Stiftung selbst gab biografische Studien in Auftrag, die sich auch seinem Wirken während der Nazi-Zeit widmeten. Die Historiker kommen zum Ergebnis: Körbers beschönigende Darstellung nach dem Krieg, er habe der Nazi-Ideologie ferngestanden, war ebenso falsch wie mehrere von ihm behauptete Details. Tatsächlich dürfte er zumindest zeitweise fasziniert gewesen sein – geleitet von einem zweckrationalen Opportunismus, mit dem er die Chancen, die das NS-Regime bot, für sein unternehmerisches Handeln nutzte.

Die jetzige Diskussion wirft wieder einmal die Frage auf, wie wir mit der Last der Vergangenheit umgehen sollten. Müssen wir jeden, der wirtschaftlich verstrickt war in die NS-Machenschaften (und das waren viele!), zur Unperson erklären – ungeachtet späterer Verdienste? Und: Können wir den heutigen Maßstab an ihr Handeln anlegen, mit jahrzehntelanger Erfahrung in einem demokratisch verfassten Deutschland? Die Verfehlungen Körbers darf man nicht verschweigen. Aber muss man deshalb mit der Selbstgerechtigkeit der Nachgeborenen die Körber-Chaussee umbenennen?

Kurt A. Körber hat sich nach dem Krieg gewandelt. Er hat ein Großunternehmen aufgebaut und früh seine soziale und bürgerschaftliche Verantwortung wahrgenommen. Er hat Hunderte Millionen gespendet und über seine Stiftung selbst eine kritische Geschichtsaufarbeitung angestoßen. Er hat sich für Demokratie und Dialog eingesetzt. Der Bergedorfer Gesprächskreis der Stiftung bringt seit 1961 hochrangige Politiker zusammen, um über Außen- und Sicherheitspolitik zu diskutieren – im Dienste der Völkerverständigung.

Wer Körber gerecht beurteilen will, muss sein Handeln während der Nazi-Zeit unter die Lupe nehmen. Aber eben auch seine Verdienste nach dem Krieg mit in den Blick nehmen.