Warum es richtig ist, dass die G20-Regierungschefs im Zentrum der Stadt tagen

Stellen wir uns einen Moment vor, die Regierungschefs der G20-Staaten würden auf Drängen der Sicherheits­experten im Juli nicht in den Hamburger Messehallen in der Innenstadt tagen, sondern in einem anderen Stadtteil des Bezirks Mitte – auf der Insel Neuwerk. Hamburg könnte wahrheitsgemäß behaupten, Gastgeber der wichtigsten Männer und Frauen der Welt zu sein, Bilder der Hansestadt würden auch so um die Welt gehen. Die Polizei hätte es deutlich leichter, die Veranstaltung zu sichern und die befürchteten Ausschreitungen zu verhindern. Die Anwohner der Hamburg Messe im Karo- und Schanzenviertel würden nicht massiv eingeschränkt in ihrem Alltag. Wohnungen und Arbeitsplätze in der Innenstadt wären erreichbar, U-Bahnen unterwegs wie gewohnt, Autofahrer würden, statt an Absperrungen zu scheitern, höchstens im üblichen Stau stehen, Flugzeuge könnten wie geplant starten. Kurz: Das Leben an diesen beiden Tagen wäre um vieles einfacher für Zehntausende Hamburger.

Und doch wäre es falsch, wäre Hamburg dem Beispiel Bayerns gefolgt, wo 2015 der G7-Gipfel im beschaulichen und gut abzuriegelnden Elmau über die Bühne ging. Oder wenn sich Hamburg an Mecklenburg-Vorpommern orientiert hätte, wo der G8-Gipfel 2007 am gut zu kontrollierenden Strand von Heiligendamm stattfand. Neuwerk hätte das Heiligendamm Hamburgs sein können – ist es aber nicht. Und stattdessen wird die Veranstaltung Hamburg gleich mehrere Tage komplett lahmlegen.

Wenn davon die Rede ist, dass die OSZE-Tagung im Dezember einen Vorgeschmack auf G20 gegeben hat, so dürfte das eine maßlose Untertreibung sein. Hier: die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa mit eher positivem Ruf und dem scheidenden Außenminister der USA an der Spitze, der in den letzten Amtswochen ähnlich hohe Sympathiewerte erzielte wie Barack Obama selbst. Und da: die in größeren Teilen der linken Szene beinahe schon verhasste G20-Tagung der wichtigsten Industrienationen und Schwellenländer, neben G7 Sinnbild einer gescheiterten und zutiefst ungerechten Weltwirtschaftsordnung. Dazu an deren Spitze: Mauerbauer Donald Trump, Zar Wladimir Putin, Sultan Recep Tayyip Erdogan oder EU-Aussteigerin Theresa May. Deren Zusammenkunft in Hamburg wird eine ganz andere Mobilisierungskraft entfalten als die der OSZE-Tagung. 140.000 Demons­tranten werden hier erwartet. Die große Zahl von ihnen dürfte kommen, um hier bestimmt, aber friedlich gegen Trump und Co. zu demonstrieren. Aber daneben wird eben auch mit schlimmsten Ausschreitungen gerechnet.

Vor dieser Gemengelage stellt sich die Frage: Warum überhaupt findet das Treffen mit diesen massiven Auswirkungen inklusive starker Einschränkungen von Bürgerrechten in einer Großstadt statt und nicht auf dem Land? Warum – weil es richtig so ist.

Gewählte Regierungschefs, und die überwiegende Zahl der Teilnehmer ist demokratisch legitimiert, auch wenn uns deren Politik (siehe Trump) nicht gefällt, müssen im politischen Zentrum eines Landes tagen können und nicht nur an dessen Peripherie. Eine Demokratie muss solche Einschränkungen aushalten können. Das Zeichen, das hoffentlich von Hamburg ausgehen wird, heißt: Wir verstecken uns nicht auf einem Berg oder an einer Küste. Im Zentrum zu tagen und im Zentrum dagegen zu demonstrieren ist das richtige Signal.