Die Rebellen haben die Handelskammer erobert – aber leicht wird es nicht für sie
Die Schlacht bei Asculum liegt zwar 2295 Jahre zurück, erinnert aber an den Triumph der „Rebellen“ bei der Wahl zum Plenum der Handelskammer. Der Sieg der Molosser über die Römer 279 vor Christus ging als Pyrrhussieg in die Geschichte ein und beschreibt einen Erfolg, der nicht nur den Besiegten, sondern auch den Sieger beschädigt. Nach dem Triumph der Wählerliste „Die Kammer sind wir!“ beginnen auch die Rebellen zu ahnen, dass es so richtig viel zu feiern nicht gibt.
Es klingt paradox: Aber die Reformer sind schwach, weil sie zu stark sind – zweifelsohne haben viele Unternehmer auf der Liste kandidiert, um frischen Wind in eine Kammer zu bringen, die sich mitunter selbst genug war. Aber nun sitzen sie fast allein in einem Plenum, das nordkoreanisch anmutet. 55 von 58 Sitzen gingen an die Rebellen; da ahnt man, dass die Gruppe mangels Opposition sich bald selbst das Leben schwer machen könnte.
Das demokratische Mandat, das sie in die Institution getragen hat, vermag nicht voll zu überzeugen: 17,6 Prozent Wahlbeteiligung bedeutet zwar fast eine Verdopplung – aber zugleich auch, dass 82,4 Prozent eben nicht gewählt haben. Und die gewählten Unternehmer vertreten wesentlich weniger Arbeits- und Ausbildungsplätze. Früher stand das Plenum für rund 23.000 Arbeitsplätze in der Stadt, heute nur noch für 6000 – davon 5000 der Haspa, die zwei der drei „Oppositionellen“ stellt. Nur 0,7 Prozent der Beschäftigten sind so noch in der Handelskammer repräsentiert. Ähnlich sieht es bei den Ausbildungsplätzen aus. Das ist nicht die Schuld der Rebellen, aber es wird ihr Problem.
Die Handelskammer hat in den vergangenen Jahren viele Aufgaben professionell und schnell abgewickelt – ein Beispiel war die Flüchtlingsarbeit. Viele Initiativen, etwa die Bereitstellung von Praktika, konnten rasch in den Betrieben umgesetzt werden, weil große Firmen – ob Vattenfall, Siemens oder die Volksbank – selbstverständlich in den Gremien vertreten waren und in den Ausschüssen mitwirkten. Ein Plenum aber, dass vor allem aus Kleinstunternehmen besteht, könnte Umsetzungsprobleme bekommen.
Zudem haben die Kammerrebellen eine Institution erobert, die sie zuvor sturmreif geschossen und so geschwächt haben: Das populistische Versprechen, die Pflichtbeiträge abzuschaffen, wird den Handlungsspielraum massiv einschränken. Nicht jede Initiative wird ehrenamtlich umzusetzen sein, für Hauptamtliche könnte bald das Geld fehlen. Zudem rächt sich nun, dass einige Kammergegner einen Maulkorb bei politischen Äußerungen erstritten haben, der nun den neuen Präses behindern wird.
So bleibt den Siegern nur, auf die Unterlegenen zuzugehen und möglichst viele große Firmen und Kandidaten anderer Listen zu kooptieren. Zugleich sollten die abgewählten Unternehmen sich einem Angebot zur Zusammenarbeit nicht verweigern. Nur so kann die Kammer weiter ihre Aufgaben erfolgreich wahrnehmen. Und nur so wird die Kammer die Stimme der Hamburger Wirtschaft bleiben. Den Klüngel der Traditionalisten durch einen Klüngel der Rebellen zu ersetzen wäre das Todesurteil für die stolze Institution. Dann würden sich die immer noch mächtigen Teile der Hamburger Wirtschaft andere Plattformen suchen.
Der designierte Kammerpräses Tobias Bergmann sollte an König Pyrrhus denken: Der sagte nach der Schlacht bei Asculum: „Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!“