Warum sich in Hamburgs Machtzentren nach der Kammer-Wahl viel ändert

Was die De-facto-Übernahme der Hamburger Handelskammer durch die sogenannten Kammerrebellen bedeuten wird, lässt sich im Moment schwer sagen. Wenn aber ein Hamburger Spitzenpolitiker das Wahlergebnis mit den Worten „Das ist Trump in links“ kommentiert, ahnt man, dass die Beteiligten und auch die Stadt vor sehr großen Veränderungen stehen.

Denn das Nebeneinander von Handelskammer und Rathaus war in der Geschichte Hamburgs über lange Zeit eine Konstante. Nicht wenige der Präsides haben sich als eine Art Zweiter Bürgermeister gefühlt. Dass Hamburg seit Ende des Zweiten Weltkriegs überwiegend von sozialdemokratisch geführten Senaten regiert wird, hängt auch damit zusammen, dass die konservative Kaufmannschaft ihr eigentliches Sprachrohr in der Handelskammer hatte.

Dieses vermeintliche Machtgleichgewicht ist jetzt dahin, pulverisiert. Im Rathaus wird schon geulkt, dass die neue Kammerführung rot-grüner ist als der Senat selbst. „Wahrscheinlich müssen wir gegen die bald die Parkplätze in der Innenstadt verteidigen“, heißt es aus dem Umfeld von Bürgermeister Olaf Scholz. Überhaupt schwanken in der Politik die Reaktionen nach der Handelskammer-Wahl zwischen offiziellen Erklärungen („Wir werden weiter gut zusammenarbeiten“) und in­offizieller Fassungslosigkeit. Wobei Letztere eher dazu führt, dass man all das, was da jetzt in unmittelbarer Nachbarschaft passieren könnte, nicht richtig ernst nimmt. Sondern sich eher darüber freut, dass sich jene, die sich sonst immer mit der Politik beschäftigt haben, nun vorrangig mit sich selbst beschäftigen. Warum sollte der Senat auch darüber traurig sein, wenn einer seiner oft größten Kritiker verschwindet? Denn das wird die Handelskammer so oder so: Die Kammerrebellen halten bekanntlich wenig von einer Einmischung in politische Belange, sie sehen die Institution mehr als Dienstleistungsorganisation.

Was ja ein Ansatz ist, der gar nicht falsch sein muss. Die Rebellen hätten niemals so viele Stimmen erhalten, wenn die Hamburger Unternehmen mit der Arbeit der Kammer zufrieden gewesen wären. Kritik gab es zuletzt selbst von großen, traditionsreichen Firmen, allerdings eher hinter verschlossenen Türen und in Vieraugengesprächen. Wenn es zum Schwur kam, standen die bekannten, mächtigen Unternehmer hinter ihrer Kammer, weil sie deren Einfluss nicht gefährden wollten. Das wird sich jetzt allein deshalb schon ändern, weil kaum noch prominente Firmenlenker im Plenum vertreten sind – der letzte seiner Art ist Haspa-Chef Harald Vogelsang. Die Kammer, die jahrzehntelang eher von den großen Firmen beherrscht wurde, ist nun in der Hand von vielen kleinen. Das wird natürlich auf allen Ebenen zu Veränderungen führen.

Die größte steht den Kammer­rebellen um ihren Chef Tobias Bergmann selbst bevor. Gerade haben sie das Kammer-Establishment noch bekämpft, jetzt sind sie es selbst. Der Wechsel vom Kritiker und Versprecher („Wir schaffen die Zwangsbeiträge ab“) zum Macher wird wie immer in einer solchen Situation schwer. Zumal die Rebellen ja auch angekündigt haben, die Führungsebene der Kammer auszudünnen. Soll heißen: Da wird viel Verwaltungs- und Gestaltungserfahrung verloren gehen, was den Neuen ihre Arbeit zumindest in der Anfangsphase nicht leichter machen wird.

Interessant dürfte zudem sein, wie die Rebellen mit der Macht umgehen, was diese im wahrsten Sinne des Wortes mit ihnen macht. Zumindest im Plenum können die ehemaligen Rebellen machen, was sie wollen. Sie finden eine in demokratisch gewählten Organisationen einmalige Konstellation vor: Die Versammlung besteht nahezu ausschließlich aus Mitgliedern einer bestimmten Gruppe; eine Opposition gibt es nicht, andere Stimmen nur in Einzelfällen. Ob das im Sinne von Tobias Bergmann ist, der ja seit Jahren für mehr Demokratie gekämpft hat?