Hamburgs Justiz arbeitet auch nach 20 Jahren noch immer nicht schneller.
Die Kritik war vernichtend – und sorgte für erhebliche politische Aufregung: „Zu lasch, zu langsam, zu lau“ sei Hamburgs Justiz, schrieb der Erste Bürgermeister den Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern ins Stammbuch. Der Bürgermeister hieß Henning Voscherau (SPD), und seine Schelte wirbelte den Bürgerschaftswahlkampf 1997 durcheinander. 20 Jahre sind seitdem vergangen – doch an dem Befund, Hamburgs Justiz sei mindestens „zu langsam“, hat sich nichts geändert. Alle Versuche, die Abläufe zu beschleunigen, dürften als gescheitert betrachtet werden.
Das hat die Justiz jetzt noch einmal schriftlich bekommen: In keinem anderen Bundesland dauern die Strafverfahren – von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bis zum Urteil des Amtsgerichts – laut der „Berliner Tabelle“ so lange wie in Hamburg. Bei den komplexeren Landgerichtsverfahren vergehen bis zum Abschluss sogar 15,6 Monate, das ist bundesweit der 13. Platz. Die Zahl der Verfahren, deren Bearbeitung länger als neun Monate dauerte, stieg von 2500 auf 3000.
Hinter dieser Statistik stehen einzelne Täter, für deren Verurteilung die Justiz so viel Zeit braucht, dass ein fühlbarer zeitlicher Zusammenhang zur Tat kaum noch da ist. Und dahinter stehen Opfer, die mit dem erlittenen Verbrechen nicht abschließen können, solange kein Urteil ergeht. Die vielleicht viele Monate nach der Tat im Zeugenstand das Geschehen noch einmal durchleben müssen. Das gilt insbesondere für Straftaten wie Körperverletzung, Diebstahl und Betrug – sogenannte Massendelikte, die in der Hauptabteilung II der Staatsanwaltschaft bearbeitet werden. Sie ist für rund 100.000 Verfahren zuständig – und besonders überlastet.
Die langen Verfahrensdauern liegen maßgeblich an den langen Bearbeitungszeiten in der Staatsanwaltschaft. Es stimmt: Gerade in der Großstadt werden die Ermittlungsverfahren in vielen Kriminalitätsbereichen komplizierter. Die Beamten der Anklagebehörde haben 30.000 Verfahren mehr zu bearbeiten als noch vor drei Jahren. Sie ächzen unter der Aktenflut; der Krankenstand ist entsprechend hoch, was das Problem weiter verschärft. Immer wieder haben Hamburgs Staatsanwälte und Richter in der Vergangenheit deshalb über „unerträgliche Überlastung“ geklagt. Im vergangenen Jahr bekamen Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft 24 zusätzliche Stellen.
Doch die Personalausstattung ist das eine, die interne Aufstellung der Behörde und ihre Effizienz sind das andere. Viel spricht dafür, dass der vom amtierenden Justizsenator Till Steffen eingestellte frühere Generalstaatsanwalt Lutz von Selle die Staatsanwaltschaft mit der strikten Überwachung seiner eigenen Leute nicht gerade leistungsfähiger gemacht hat. Nachfolger Jörg Fröhlich wandelte das umständliche Sechs- nun in ein Vieraugenprinzip um und hob die „innere Berichtspflicht“ auf. Das sind gute Ansätze. Statt nach weiterem Personal zu rufen, hat der „General“ interne Reformen angeschoben. Nach 20 Jahren möchte man sagen: Die müssen nun endlich auch mal was bringen.
„Law and order is a labour issue“, hatte Bürgermeister Voscherau in den 1990er-Jahren angelehnt an den britischen Premier Tony Blair erkannt. Also sinngemäß: Innere Sicherheit ist für die Sozialdemokraten ein wichtiges Anliegen. Das gilt in Zeiten, in denen die AfD aus diesem Thema politisches Kapital zu schlagen versucht, umso mehr. Auch für den rot-grünen Senat.