Trotz neuer Widerstände: Hamburg muss an der Elbvertiefung festhalten
Am Donnerstagvormittag, nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sein Urteil zur Elbvertiefung gesprochen hatte, waren viele Befürworter dieses für Deutschland so wichtigen Infrastrukturprojekts hoffnungsvoll gestimmt. Zwar hatte der Vorsitzende Richter die Baumaßnahme nicht sofort durchgewinkt, aber er hatte klar zu verstehen gegeben, dass das Vorhaben durchaus genehmigungsfähig sei, wenn bei den geplanten Umweltschutzmaßnahmen an wenigen Stellen nachgebessert werde. Wenn das Wörtchen wenn nicht wär ...
Einen Tag nach dem Urteil ist bei vielen Befürwortern aus Hoffnung Ernüchterung geworden. Denn ganz so einfach wie gedacht wird der Weg zur nächsten Elbvertiefung nun doch nicht. Die Idee der Planer war eigentlich simpel: Die Stadt weist zusammen mit dem Nachbarland Niedersachsen neue ökologische Ausgleichsfläche klar aus, auf welchen am besten noch der seltene Schierlings-Wasserfenchel wachsen kann – und schon kann gebaggert werden. Doch daraus wird wohl nichts. Denn zum einen erweckt Niedersachsen nicht den Eindruck, bei der Suche nach Ausgleichsflächen aufs Tempo drücken zu wollen. Zum anderen haben sich am Freitag die Umweltverbände mit wenig kompromissbereit klingenden Aussagen zu Wort gemeldet. Der Tenor: Die Elbe kann vielleicht an verschiedenen Stellen verbreitert werden, eine Vertiefung kommt aber definitiv nicht infrage. Eine neue Klage? Nicht ausgeschlossen!
Seit nunmehr 15 Jahren plant, redet und klagt man. Es wurde über seltene Tiere, noch seltenere Pflanzen, Deichsicherheit und den Salzgehalt des Elbwassers gestritten. Es gab Gutachten und Gegen-Gutachten. Zum Teil verstanden selbst vermeintliche Experten die komplizierten Inhalte nicht mehr. Aber ein Bagger ist immer noch nicht in Sichtweite.
Da läge der Schluss nahe, das Projekt aufzugeben, nicht länger die Gerichte damit zu beschäftigen. Doch genau diesen Fehler dürfen die Stadt und der Bund keinesfalls machen. Denn die Elbvertiefung ist nicht nur als Infrastrukturprojekt alternativlos. Sie steht auch stellvertretend für weitere bauliche Großvorhaben in der Bundesrepublik. Verabschiedet sich der Staat von der Elbvertiefung, setzt er die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschlands aufs Spiel. Weil ohne funktionierende, hochmoderne Verkehrswege ist eine Wirtschaftsnation auf Dauer nicht leistungs- und konkurrenzfähig.
Hamburg und der Bund sollten mit den Umweltverbänden das Gespräch suchen, aber an ihrem grundsätzlichen Ziel einer Verbreiterung und Vertiefung zwingend festhalten. Zudem muss die Stadt nicht nur nach Niedersachsen, sondern auch Richtung Schleswig-Holstein schauen, wenn es darum geht, ökologische Ausgleichsflächen an der Elbe zu finden. Denn das Interesse der Regierung in Hannover an der Elbvertiefung scheint gering zu sein.
Und das ist keine Überraschung: Schließlich hat Niedersachsen viel Geld in seinen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven gesteckt, der von den Reedereien weltweit aber kaum genutzt wird. Nun hofft Hannover offenbar, dass die Schwächung Hamburgs zu einer Stärkung des eigenen Hafens führen könnte. Ein Trugschluss: Denn wegen der schlechten Hinterlandanbindungen in Wilhelmshaven wird eine andere Hafenstadt von weiteren Verzögerungen bei der Elbvertiefung profitieren: Rotterdam. Und Norddeutschland wird am Ende der Verlierer sein.
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