Hamburg. Die Entscheidung aus Leipzig ist ein schwerer Schlag für den Hafen. Wie geht die Stadt damit um?

Man könnte es für eine Posse halten, die maritime Ausgabe der „Unendlichen Geschichte“, eine Soap mit dem Schierlings-Wasserfenchel in der Hauptrolle. Aber es ist nicht lustig, sondern Realität in der Republik des Jahres 2017: Die Elbvertiefung, seit 2001 geplant, ist zwar zulässig, verzögert sich aber erneut. Bevor die großen Containerschiffe voll beladen den Hamburger Hafen erreichen können, vergehen nach Schätzungen von Experten weitere zwei Jahre – wenn nichts dazwischenkommt. Die Konkurrenz in Rotterdam und Antwerpen freut sich, Hamburg fällt weiter zurück. Noch ist unklar, wie sich in Zukunft die Handelsströme verlagern werden. Aber das Signal aus Hamburg wird kein Reeder übersehen.

Die Entscheidung erwischt die Hafenwirtschaft auf dem falschen Fuß. In den zurückliegenden Wochen hatte sie Optimismus demonstriert, wohl auch in dem festen Glauben, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Wie wenig sich die Erwartungen mit der neuen Realität decken, zeigt ein Blick auf die Kurse der Hafenfirmen. Die sich überwiegend im Besitz der Stadt befindliche HHLA AG verlor nach dem Urteil fast 15 Prozent an Wert – auf dem Papier hat die Stadt damit binnen Sekunden fast 150 Millionen Euro verloren.

Hamburger Vertreter vor Gericht nicht professionell

Wer nun aber das Bundesverwaltungsgericht für seine Entscheidung rügt, macht einen Fehler. Die Leipziger Verwaltungsrichter haben in dem mittlerweile viereinhalb Jahre dauernden Verfahren eine hohe Professionalität an den Tag gelegt. Das lässt sich leider nicht für alle Beteiligten sagen: Die Vertreter der Stadt vermochten nicht immer zu überzeugen. Während der mündlichen Verhandlungen im Dezember mussten sich die Planer schwere Vorwürfe wie etwa „Etikettenschwindel“ gefallen lassen.

Der ewige Prozess wirft einige grundsätzliche Fragen auf. Das Verfahrensrecht hat inzwischen eine Komplexität erreicht, die möglicherweise auch gute Planer im Staatsdienst überfordert und der Klägerseite mit ihren hochspezialisierten Experten in die Hände spielt. Da stellt sich auch die Frage, ob die gelernte Rollenverteilung noch gilt: In Öffentlichkeit und Medien gelten die Umweltschützer stets als uneigennützige Davids, die sich gegen die ökologische Katastrophe stemmen, während Hafenwirtschaft und Gewerkschaften als ewiggestrige Goliaths dargestellt werden.

Reaktionen zum vorläufigen Stopp der Elbvertiefung

Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos)

„Wir haben jetzt endlich Rechtssicherheit. In der Sache haben wir Recht bekommen. Doch auch wenn wir jetzt wegen gestiegener Anforderungen des Umweltrechts abermals die Genehmigungsgrundlagen ergänzen müssen, gibt es keinen Zweifel daran, dass die Fahrrinnenanpassung kommen wird. Der Hamburger Hafen ist und bleibt ein zentraler Wirtschaftsmotor, der allein hier in Norddeutschland mehr als 150.000 Arbeitsplätze schafft. Als ein bedeutender Welthafen fungiert der Hafen heute als eine Drehscheibe für ganz Deutschland im internationalen Warenverkehr, die alle benötigten Dienstleistungen rund um den Warentransport bietet. Die heutige Entscheidung kostet leider noch einmal Zeit. Nun werden wir so schnell wie möglich die nächsten Schritte planen und umsetzen.“

Katja Suding (Fraktionsvorsitzende der FDP Hamburg)

„Die Entscheidung ist ein weiterer herber Rückschlag für den Hamburger Hafen. Damit müssen der Hafen und die ganze Hafenwirtschaft weiter bangen und warten. Die nicht enden wollende Hängepartie geht damit weiter. Das ist ein Debakel für Hamburg. Leider ist das Urteil eine Klatsche mit Ansage: Olaf Scholz hat das Projekt zur Chefsache gemacht. Er war aber bis heute nicht in der Lage, dieses Projekt zum Erfolg zu führen. Dies zeigt einmal mehr: Die Zukunft Hamburgs ist bei Olaf Scholz in den falschen Händen. Statt sich mit dem gebotenen Einsatz um das wichtigste Infrastrukturprojekt der Stadt zu kümmern, gefällt er sich in der Bundespolitik. Dafür bekommt Hamburg nun die Quittung.Wir hoffen jetzt darauf, dass die Elbvertiefung trotz aller Probleme kommt und dass Hamburg noch einmal mit einem blauen Auge davonkommt. Der Senat muss jetzt alles dafür tun, damit unausweichliche Kostensteigerungen und zeitliche Verzögerungen so gering wie möglich sein werden. Hamburg braucht die Elbvertiefung, um nicht in der maritimen Bedeutungslosigkeit zu versinken.“

Anjes Tjarks, Vorsitzender der Grünen Bürgerschaftsfraktion

„Ich zolle dem Gericht großen Respekt dafür, dass es sich in ein solch komplexes Verfahren so tief eingearbeitet und ein sehr differenziertes Urteil gefällt hat. Nach über zwölf Jahren Verfahren wird eines deutlich: Die Konfrontation führt selten zu den besten Lösungen. Deswegen ist jetzt das Gebot der Stunde, die Urteilsbegründung abzuwarten, gut zu analysieren und dann miteinander zu reden. Für einen Dialog im Hafen gibt es bereits gute Grundlagen. Dazu zählt das ‚Forum Tideelbe‘. Hier arbeiten die wichtigsten Institutionen gemeinsam an einer nachhaltigen Entwicklung der Elbe. Daran können wir jetzt anknüpfen. Seit dem Planungsbeginn für die neunte Elbvertiefung sind 15 Jahre vergangen, seit 2012 laufen die Klagen dagegen: In diesem langen Verfahren haben die Umweltverbände schon jetzt viele Verbesserungen aus ökologischer Sicht erreicht. Dazu gehört, dass der Europäische Gerichtshof die Wasserrahmenrichtlinie aufgewertet hat und wir die Wasserqualität in der Elbe stetig verbessern müssen. Die Elbe ist Lebensraum vieler Pflanzen und Tiere, die nur hier zu finden sind. Sie ist Laichgebiet der Finte, der Uferbereich ist Lebensraum des Schierlingswasserfenchels und das Deichvorland Brutstätte vieler am Boden brütender Vogelarten. Für sie wurden bereits jetzt Maßnahmen durchgesetzt, die ihren Lebensraum konkret schützen.“

Norbert Hackbusch, hafenpolitischer Sprecher der Linksfraktion

„Die Verzögerung wird Hamburg nicht weiter treffen. Entscheidend ist: Die Kanalisierung der Elbe geht weiter. Aber trotzdem bleibt Hamburg für die neuen Megacarrier schwer erreichbar – daran ändert die Elbvertiefung nichts. Die grundsätzlichen geografischen Beschränkungen bleiben ja. Kurzfristig wird die Vertiefung zwar ökonomische Vorteile für die Stadt haben, aber das wird sich nicht in neuen Arbeitsplätzen niederschlagen, da diese durch die Digitalisierung sowieso gefährdet sind. Die Probleme werden durch die Elbvertiefung nur etwas aufgeschoben.“

Lorenz Palte, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Hamburg e.V.

„Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts ist ein weiterer Tiefschlag für den Hamburger Hafen, von dem in der Metropolregion immerhin rund 150.000 Arbeitsplätze abhängen. International wird nicht der Schutz Schierlings-Wasserfenchels wahrgenommen, sondern die Tatsache, dass ein Industriestandort wie Hamburg es nicht schafft, wettbewerbsfähige Bedingungen für die maritime Wirtschaft herzustellen. Wie kann es sein, dass Planung und Verfahren zur Elbvertiefung bereits seit 15 Jahren laufen? Statt Fahrräder zu zählen, sollten wir langsam anfangen Schiffe zu zählen. Denn diese könnten Hamburg in Zukunft seltener anlaufen.“

Fritz Horst Melsheimer, Präses der Handelskammer Hamburg

„Die Hamburger Wirtschaft nimmt das heutige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis. Der Planfeststellungsbeschluss bleibt bestehen, die Mängel können geheilt werden, so das Gericht. Die Frage ist, wie zeitnah die Auflagen erfüllt werden können. Die Antwort darauf entscheidet über das Schicksal unseres Hafens. Das zähe, 15 Jahre dauernde Ringen zeigt für mich, wie wichtig eine grundlegende Reform des gesamten deutschen Planungsrechts ist. Nur so wird unser Land zukünftig wettbewerbsfähig bleiben.“

Umweltverbände BUND, Nabu und WWF

„Den Behörden ist es erneut nicht gelungen, eine rechtskonforme Planung für die geplante Elbvertiefung vorzulegen – und dies nach 10 Jahren Verfahrensdauer. Die Planungsbehörden wären gut beraten, das Umweltrecht endlich ernst zu nehmen.Die Planungsbehörden wollten das ohnehin vorgeschriebene Naturschutzpflichtprogramm als speziellen Ausgleich für den schweren Eingriff in die Elbe verkaufen. Dieser Etikettenschwindel ist aufgeflogen. Nun sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich, damit der schwere Eingriff in den Lebensraum Elbe mit dem Recht vereinbar wäre. Für die ganz großen Schiffe gibt es eine Alternative, für die Natur nicht.“ 

Wolfgang Kubicki, FDP-Landtagsvorsitzender in Schleswig-Holstein

„Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig gibt Anlass zur Hoffnung, dass diese für die Überlebensfähigkeit des Hamburger Hafens wichtige wasserbauliche Maßnahme der Elbvertiefung letztlich durchgeführt werden kann. Das Gericht hat den entsprechenden Planfeststellungsbeschluss nicht aufgehoben, sondern lediglich eine Nachbesserung verlangt im Hinblick auf eine geschützte Pflanzenart. Wird diese Nachbesserung geleistet, wovon wir aus schleswig-holsteinischer Sicht ausgehen, kann der Planfeststellungsbeschluss umgesetzt und vollzogen werden. Dies ist eine erfreuliche Nachricht, nicht nur für die Metropolregion Hamburg, sondern auch für das Land Schleswig-Holstein insgesamt, da Zehntausende von Schleswig-Holsteinern im Hamburger Hafen Arbeit und damit berufliche Perspektiven haben.“

Andreas Tietze, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen in Schleswig-Holstein

"Wir sehen die geplante Elbvertiefung kritisch. Die Auswirkungen für das Ökosystem sind fatal und die Folgekosten der Elbvertiefung eine teure Tasse Tee. Heute ist auch klar geworden, wer bei den Folgen für Mensch und Natur fuscht, der legt eine krachende Bauchlandung hin. Die immer wieder festzustellende Planungsarroganz muss endlich aufhören. Das kann man nicht dem Rechtsstaat und den Gerichten anlasten. Wir brauchen Qualität und Nachhaltigkeit bei Planungsvorhaben. Fakt ist doch, dass die neue Generation der Containerschiffe auch bei ausgebaggerter Elbe nicht in den Hamburger Hafen fahren können. Wir brauchen eine stärke Zusammenarbeit und Verantwortungsgemeinschaft der Norddeutschen Länder. Daher setzten wir Grüne auf eine verstärkte Hafenkooperation: Weniger baggern und mehr zusammenarbeiten."

Michael Kruse (wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP)

"Wirtschaftssenator Frank Horch hat die Elbvertiefung bis heute nicht im Griff. Die dilettantische Planung und die immensen handwerklichen Fehler haben dazu geführt, dass die Zukunft Hamburgs als Hafenstandort auf dem Spiel steht. Bei Amtsantritt versprach Horch noch, die ersten Bagger rollen 2012. Das ist auch fünf Jahre später nicht in Sicht. Die erneute Verzögerung ist für den Hafenstandort Hamburg brandgefährlich: Schon jetzt verlagern Reedereien Ladung in andere Häfen. Dieser Trend wird sich nun noch beschleunigen. Senator Horch redet sich die Welt schön. Hamburg hat nicht Rechtssicherheit, sondern weitere zeitliche und rechtliche Unsicherheit. Wirtschaftssenator Horch lebt ganz offensichtlich in einer anderen Welt. Das wird für Hamburg zunehmend zur Belastung. Jetzt müssen Profis ran. Ansonsten droht der Hamburger Hafen zu einem Provinzhafen zu verkommen.“

Uwe Polkaehn, Vorsitzender der Gewerkschaft DGB Bezirk Nord

"Hamburg muss ein vollwertiger und leistungsstarker Containerhafen bleiben, davon hat der ganze Norden am meisten. Die Modernisierung der Wasserwege und Hafenanlagen ist und bleibt auch ökologisch sinnvoll: Container gehören auf Schiff und Eisenbahn und weniger auf die überfüllten Straßen. Neben der Flora und Fauna entlang der Elbe sind auch die Lebewesen zu achten, die mit ihrer Arbeit im Hafen und entlang der Wertschöpfungsketten ihre Familien ernähren müssen - in Hamburg, aber auch in Schleswig-Holstein, Niedersachen und Mecklenburg-Vorpommern. Hier geht es um die wirtschaftliche Zukunft des Nordens und einen industriellen Kern der Stadt. Befürworter wie Kritiker des Hafenausbaus tragen eine große Verantwortung, damit diesem Zentrum für Arbeit, Wachstum und Wohlstand auch weiterhin die nötigen Entwicklungschancen gegeben werden. Deshalb müssen die geforderten Nachbesserungen zügig erfolgen.“

Ben Lodemann, Ältermann der Lotsenbrüderschaft Elbe

„Die Lotsenbrüderschaft Elbe bedauert die heutige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Fahrrinnenanpassung. Seit über 300 Jahren sorgen die Elblotsen für eine sichere und störungsfreie Schifffahrt auf der Elbe. Diese Arbeit wird durch den zunehmenden Schiffsverkehr immer schwieriger. „Die heutige Gerichtsentscheidung wirft uns um viele Jahre zurück. Diese Hängepartie bei ständig wachsenden Schiffsgrößen auf der Elbe ist extrem schwierig und schädigt den Standort Hamburg.Damit werden weiterhin viele Schiffe länger für die Fahrt nach Hamburg oder zurück auf See benötigen. Begegnungen zwischen großen Schiffen bleiben auf weiten Teilen des Elbereviers schwierig. Das ist unter Sicherheitsaspekten, aber auch unter ökologischen Gesichtspunkten extrem bedenklich. Der Bund muss seine Pläne für die Fahrrinnenanpassung schnellstens gerichtsfest überarbeiten und ein Sofortprogramm auflegen, um auf der Elbe für mehr Sicherheit zu sorgen. Das darf nicht weiter aufgeschoben werden.“

Hauke Harders, Landesgeschäftsführer des Wirtschaftsrates Hamburg

„Das Urteil kann man nicht schönreden. Es ist eine Zäsur für den Wirtschafts- und Logistikstandort Hamburg. Die Entscheidung sendet international, gerade mit Blick auf den Asienverkehr, ein negatives Signal. Der Hafen und die maritime Wirtschaft müssen ihre Strategie für die Zukunft jetzt hinterfragen. Auch personelle Konsequenzen dürfen dabei kein Tabuthema sein.“

Herbert Behrens, Berichterstatter der Linksfraktion im Bundestag für maritime Politik

„Seit mehr als zehn Jahren wird abgewartet, ob diese inzwischen neunte Elbvertiefung rechtmäßig umgesetzt werden kann oder nicht. Die schwerwiegenden Argumente der Umweltverbände wurden weitgehend ignoriert. Damit wurde kostbare Zeit, um über ökologisch und ökonomisch sinnvolle Alternativen nachzudenken, vergeudet. Konzepte für eine Verknüpfung von wirtschaftlichem Erfolg des Hafens und dem dringend gebotenen Schutz der Elbanrainer vor Versalzung und Hochwasser sind möglich und unverzüglich anzugehen.Eine Hafenkooperation der deutschen Küstenländer ist jetzt dringender denn je. Denn die verkehrspolitischen und umweltpolitischen Konsequenzen weiterer Flussvertiefungen werden die kommenden Generationen zu tragen haben. Der Bund hat sich geweigert, eines der teuersten Umweltvergehen zu stoppen, und pumpt 400 Millionen Euro in das Projekt. Trotz dieser hohen Kosten ist damit keine nachhaltige Perspektive für den Hamburger Hafen zu entwickeln.

Carsten Taucke, Vorsitzender des BGA-Verkehrsausschusses

"Wir begrüßen es sehr, dass durch das heutige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts der Weg für die notwendige Elbvertiefung grundsätzlich frei ist. Dennoch betrachten wir die weiteren Verzögerungen mit Sorge. Nach über 15 langen Jahren der Planung hätten wir uns gewünscht, dass das Projekt Elbvertiefung endlich in die Tat umgesetzt werden kann. Als eine der führenden Export- und Importnation der Welt sind wir auf reibungslose Transportketten angewiesen. Es bleibt zu hoffen, dass die geforderten Nachbesserungen schnell umgesetzt werden und somit mit der Elbvertiefung zeitnah begonnen werden kann."

Gunther Bonz, der Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH)

„Wir haben einen schweren und dornenreichen Weg vor uns.“

Ken Blöcker, Geschäftsführer des Unternehmensverbandes Unterelbe-Westküste

„Wir sehen das Urteil aus Leipzig sehr kritisch. Keiner weiß nach dem Urteil, ob die Elbvertiefung kommen wird oder nicht.“

Angela Titzrath, Vorstandsvorsitzende der HHLA

„Nach dem langwierigen Verfahren und angesichts des harten Wettbewerbs zwischen den wichtigen europäischen Häfen hätte ich mir ein Ergebnis gewünscht, das nicht weitere zeitliche Verzögerungen bei der Fahrrinnenanpassung der Elbe zur Folge hat. Planungssicherheit ist für uns und unsere Kunden von großer Bedeutung. Wir erwarten daher, dass durch die Verfahrensbeteiligten bestehende Unsicherheiten möglichst schnell beseitigt werden. Die Fahrrinnenanpassung muss schnell realisiert werden, damit der Hamburger Hafen seine Wettbewerbsfähigkeit weiter sichert. Es liegt im Interesse der Stadt und ihrer Bürger, dass alle Verantwortlichen nun eng zusammenwirken. Die HHLA hält einen zielführenden Dialog für sinnvoll, in den die Politik, die zuständigen Behörden im Hafen, Verbände und Unternehmen eingebunden werden.Ich kann verstehen, dass sich viele Menschen, die im oder für den Hafen arbeiten, nach dieser Entscheidung Sorgen machen. Deshalb möchte ich betonen: Der Hamburger Hafen geht in keine ungewisse Zukunft. Für ihn sprechen viele besondere Qualitäten: seine gute Hinterlandanbindung, seine Ausstattung mit moderner Technik, seine hohe Abfertigungsqualität und nicht zuletzt seine leistungsbereiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Damit haben wir im Wettbewerb gute Chancen. Wichtigstes Erfolgsrezept bleibt die Zufriedenheit unserer Kunden. Dafür werden wir auch nach dieser Entscheidung alles tun. Der Hamburger Hafen hat seit Jahrhunderten zum Wohlstand der Stadt und ihrer Bürger beigetragen. Ich bin überzeugt, dass er dies auch in Zukunft tun wird.“

Michael Westhagemann, Vorstandsvorsitzender des Industrieverbands Hamburg

„Die Richter haben entschieden: Jetzt müssen die aufgezeigten Mängel in den Plänen schnell beseitigt werden, um die Chance für unseren Hafen weiter zu nutzen. Trotzdem ist unser Standort Hamburg für die Zukunft gut aufgestellt als Zentrum innovativer Industrie an Nordeuropas bedeutendster Logistikdrehscheibe. Auch müssen wir weiterhin unseren Fokus auf die Technologie- und Zukunftsfelder richten, die ein hohes Entwicklungspotenzial bieten. Bei der Digitalisierung und Elektrifizierung sind alle Branchen gleichermaßen betroffen. Hier ergeben sich zukünftig enorme Chancen, gerade auch im Bereich der angewandten Wissenschaften, aber auch Chancen für die Ansiedlung von innovativen Unternehmen und Start-ups im Hamburger Hafen.Es kommt nun darauf an, unseren Hafen schnell fit zu machen für diese Herausforderungen. Hafenflächen sollten von daher für hafenwirtschaftliche und industrielle Nutzungen erhalten bleiben, weil Industrie und Hafenwirtschaft gemeinsam Teil der industriellen Wertschöpfungskette sind.“

Alexander Dobrindt, Bundesverkehrsminister

„Das heutige Urteil hat bestätigt: Die Elbvertiefung wird kommen. Wir werden nun die Urteilsbegründung genau analysieren und die Planungen schnellstmöglich anpassen. Die Elbvertiefung ist hochwirtschaftlich und unverzichtbar, um modernen Frachtschiffen den sicheren Zugang zum Hamburger Hafen zu ermöglichen. Für Deutschland als Export- und Logistikweltmeister ist ein moderner, leistungsfähiger Containerverkehr von enormer Bedeutung.“

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Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und eine funktionierende Infrastruktur gelten in postmodernen Kreisen wenig im Vergleich zu Schierlings-Wasserfenchel, Knutt und Finte.

Allerdings wäre es auch zu billig, nun die Umweltverbände unter Feuer zu nehmen. Natürlich wäre es besser gewesen, wenn sich wie in Antwerpen und Rotterdam Umweltschützer und Planer vorab geeinigt hätten. Doch dazu gehören stets zwei – in der Vergangenheit haben die Planer BUND und Nabu mehrfach vor den Kopf gestoßen. Der Gang nach Leipzig war keine Pflicht für Umweltverbände, aber ihr gutes Recht.

Klage geht auch auf europäisches Recht zurück

Dieses Recht haben Politiker geschaffen, die nun angesichts des Richterspruchs aufheulen. Das Verbandsklagerecht der Umweltorganisationen hat die rot-grüne Bundesregierung 2002 beschlossen. Die Wasserrahmenrichtlinie geht auf das Europäische Parlament zurück, die Entwicklung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie wurde auf dem Europäischen Rat 1988 unter deutschem Vorsitz beschlossen. Kanzler war damals Helmut Kohl.

All diese Entscheidungen hatten auch ihr Gutes, führen nun aber dazu, dass selbst die Präambel der Hamburgischen Verfassung seltsam hohl klingt: „Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene, besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen.“

Dieses Denken in großen Zusammenhängen droht längst im Klein-Klein verloren zu gehen. Für die Bundespolitik muss das Leipziger Urteil ein Weckruf sein: Die Große Koalition sollte dringend die Frage beantworten, ob große Infrastrukturprojekte in diesem Land noch vernünftig umzusetzen sind. Und die Landespolitik sollte das Urteil als dringende Handlungsempfehlung verstehen, an einem strategischen Plan B für die Metropole zu arbeiten.

Hamburg ist als Hafenstadt groß geworden, wird aber als reine Hafenstadt nicht groß bleiben. Sollten eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages die Bagger die Fahrrinne anpassen, gewinnt die Stadt Zeit für den Strukturwandel. Eines sollte schon vor dem Leipziger Urteil allen Beteiligten klar gewesen sein: Eine weitere Elbvertiefung – es wäre die zehnte ihrer Art – wird es nicht mehr geben.

Sollten sich alle Beteiligten darauf verständigen, darf man vielleicht noch auf ein Hamburger Hafenwunder hoffen: Umweltschützer und Wirtschaft könnten in Zukunft auf Dialog statt Konfrontation setzen. Antwerpen und Rotterdam wären dann nicht nur Vorbilder bei der Umschlagsentwicklung, sondern auch bei der Zusammenarbeit.