Die Lage vor dem Rückrundenstart der Zweiten Liga ist düster. Aber es gibt Ansätze, die Hoffnung machen.

Die Vorfreude auf den Rückrundenstart ist groß beim FC St. Pauli. Endlich wieder Millerntor, nach 43 Tagen Pause endlich die Chance, den desaströsen Gesamteindruck der Hinrunde zu korrigieren und möglichst das Minimalziel Relegationsplatz zu erreichen. Und mit dem VfB Stuttgart kommt am Sonntag ein Gegner, der eher an glorreiche Bundesligazeiten erinnert als an puren Existenzkampf im Unterhaus.

Die Lage vor der zweiten Saisonhälfte ist düster, aber nicht aussichtslos. Elf Punkte nach 17 Spielen bedeuten zwar die schlechteste Bilanz in der Vereinsgeschichte, aber um das rettende Ufer sehen zu können, braucht man nicht das einst viel zitierte Fernglas von Uli Hoeneß. Die Hoffnung auf die Rettung basiert beim Kiezclub auch darauf, dass die Kontrahenten im Klassenkampf auch nicht besser sind.

„Wir werden den Klassenerhalt nur über die Kabine schaffen“, sagte Sportdirektor Andreas Rettig in der Winterpause. Soll heißen: Nur mit den typischen St.-Pauli-Tugenden Zusammenhalt, Leidenschaft und Kampf kann der Super-GAU verhindert werden. Diese markigen Worte wurden mit Leben gefüllt, was zur Folge hatte, dass Publikumsliebling Fabrice-Jean „Fafa“ Picault wegen mangelhafter Einstellung freigestellt wurde. Auch Stürmer Marvin Ducksch, dessen Körpersprache der eines Tiefdruckgebiets auf zwei Beinen entspricht, wurde abgegeben.

Ob aber die individuelle Qualität am Ende reicht? Fakt ist: Die Konkurrenz hat kräftig aufgerüstet. Auf und neben dem Platz. Der Karlsruher SC verpflichtete unter anderem Ex-HSV-Trainer Mirko Slomka, auch Chaosclub 1860 München setzt mit dem Portugiesen Vitor Pereira auf einen neuen Übungsleiter. Beim FC St. Pauli setzt man nach kurzen Überlegungen weiter auf Ewald Lienen, der im Gegensatz zu weiten Teilen der Hinserie wieder voller Energie und Tatendrang wirkt.

Die Probleme hat der 63-Jährige erkannt. Mit lediglich elf erzielten Toren stellen die Hamburger die harmloseste Offensive der Liga. Damit sich das ändert, war St. Pauli auf dem Transfermarkt aktiv. Die Auswahl der neuen Spieler ist durchaus interessant. Hinter vorgehaltener Hand wurde bei den Sommertransfers bemängelt, dass man Spieler verpflichtet hat, die körperliche „Baustellen“ sind, sprich aus einer langen Verletzung kommen oder keine Spielpraxis haben.

Mit Johannes Flum aus Frankfurt, der aufgrund eines Kniescheibenbruchs ein Jahr kein Fußball spielen konnte, Mats Möller Daehli, der beim SC Freiburg nur wenige Spielminuten erhielt, und Rückkehrer Lennart Thy, dessen Arbeitsplatz bei Werder Bremen häufiger die Tribüne als der grüne Rasen war, kamen Spieler, die allesamt eine gewisse Anlaufzeit benötigen werden. Die Frage, die sich aufdrängt: Hat man aus den Fehlern des vergangenen Sommers nicht gelernt, oder sind es die Kompromisse, die man eingehen muss, wenn man Tabellenletzter der Zweiten Liga ist und ein wirtschaftlich überschaubares Budget hat? Eines ist so sicher wie die Tatsache, dass der Michel ein Hamburger Wahrzeichen ist: St. Pauli muss ab Sonntag, 13.30 Uhr, den Abstiegskampf annehmen. Jeder Spieler muss sein Ego hintanstellen, dem Ziel Klassenerhalt alles untergeordnet werden.

Die häufig leblosen Auftritte – gerade in den Spielen am Millerntor – kann sich das Lienen-Team nicht mehr erlauben. Trainer, Spieler und Führung haben die Verantwortung für über 120 Mitarbeiter. Ein Abstieg in die Dritte Liga würden den Club nicht in seiner Existenz gefährden, wohl aber in seiner Entwicklung massiv beeinträchtigen.

Nun soll das hier kein Abgesang auf den FC St. Pauli werden. Es gibt durchaus Dinge, die Hoffnung machen, dass die Hamburger auch in der kommenden Saison zweitklassig sein werden. Vor der Winterpause gab es drei Spiele ohne Niederlage, die viel gescholtene Abwehr stand wieder deutlich stabiler. Und durch die drei Neulinge wurde der interne Konkurrenzkampf im Kader neu entfacht.

Was all das letztlich wert ist, wird man nach dem letzten Saisonspiel beim VfL Bochum am 21. Mai sehen. Bis dahin ist und bleibt der Kultclub vom Millerntor eine Wundertüte.