Warum es so schwer ist, eine Nachfolgerin für Barbara Kisseler zu finden
Selten war Kultur in Hamburg so wichtig wie jetzt, wenige Tage vor Eröffnung der Elbphilharmonie. Aber genauso selten war es so schwierig, eine neue Kultursenatorin für die viel zu früh verstorbene Barbara Kisseler zu finden. Dass Bürgermeister Olaf Scholz auch zu Beginn des neuen Jahres noch niemanden präsentiert, ja, dass kaum Namen gehandelt werden, lässt den einen oder anderen in Hamburgs Kulturszene unruhig werden: Scholz wird doch nicht, ausgerechnet jetzt, auf eine eigene Kultursenatorin verzichten und sich selbst, also nebenbei, um das Thema kümmern?
Nein, das wird der Bürgermeister nicht machen, weil es das falsche Signal für eine aufblühende Kulturstadt wäre, die künftig mit Hilfe der Elbphilharmonie weit über die nationalen Grenzen strahlen will. Die Suche nach einer Kultursenatorin ist nicht abgeblasen, sie ist nur sehr, sehr schwierig. Und das gleich aus mehreren Gründen.
Ganz zuerst hat das mit Barbara Kisseler selbst zu tun, die ein großes Erbe hinterlassen hat. Sie war eine Idealbesetzung für die Stelle, weil sie kulturelle und politische Kompetenz mitbrachte, und sie war mit ihrer charmanten und liebenswürdig-frechen Art ein Glücksfall für Hamburg. Auch, weil sie den Hamburgern beibrachte, sich nicht selbst immer ganz so ernst zu nehmen. Soll heißen: Wer immer auch nach Barbara Kisseler kommt und direkt an ihr gemessen wird, dürfte es schwer haben.
Hinzu kommt, dass die wirklich wichtigen Entscheidungen für die Zukunft der Kultur in Hamburg gefallen sind. Die Elbphilharmonie ist nicht nur fertig gebaut, sondern wird tatsächlich eröffnet. Der neue Generalmusikdirektor ist mit Kent Nagano längst ausgewählt, auch sonst stehen, wenn überhaupt, nur wenige Vertragsverlängerungen mit prägenden Akteuren an Theatern oder anderswo an. Die Zeit der großen Umwerfungen und Weichenstellungen ist also vorbei, eine neue Kultursenatorin müsste eher operativ statt, wie Kisseler, stark strategisch arbeiten. Das macht den Job natürlich nicht uninteressant, aber eben auch nicht so spannend, wie er es in den vergangenen Jahren war.
Damit nicht genug, hat sich Bürgermeister Scholz bei seiner Suche selbst stark eingeschränkt. Erstens, weil er wegen einer möglichst ausgewogenen Besetzung des Senats unbedingt eine Frau für die Kultur haben möchte. Zweitens, weil er bisher ausgeschlossen hat, einen Staatssekretär zum Senator zu machen. Beides spricht gegen den Mann, den nicht wenige in Hamburg gern als Kisseler-Nachfolger sehen würden und der im vergangenen Jahr bewiesen hat, dass er es könnte: Carsten Brosda, derzeit Staatsrat in der Kulturbehörde und genialer Redner (und Redenschreiber), scheidet angesichts der oben beschriebenen Logik leider aus.
Wäre er eine Frau und kein Staatsrat, gebe es kaum einen Besseren für diesen Posten. Denn Brosda bringt neben dem benötigten Kulturverständnis und dem mindestens so wichtigen Selbstbewusstsein im Umgang mit Kulturschaffenden alles mit, was man braucht, um erfolgreich Politik machen zu können. Gerade am letzteren mangelt es vielen möglichen Kandidaten, deren Erfahrungen mit und in der Kultur über jeden Zweifel erhaben sind.
Olaf Scholz wird also weiter suchen müssen, in der Gewissheit, dass die Unsicherheit in der Kulturszene mit jeder neuen Woche ohne Senatorin größer werden wird. Wobei: Wenn er tatsächlich jemanden wie Barbara Kisseler findet, wird man ihm die Wartezeit verzeihen.