Was ist wichtiger? Bei der Elbvertiefung geht es um eine Grundsatzentscheidung

Der Showdown steht bevor. Kurz vor Weihnachten wird die entscheidende mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Klage gegen die Elbvertiefung geführt. Es wird das letzte Gefecht sein zwischen den klagenden Umweltverbänden, die das Mammutprojekt zu verhindern oder zumindest zu behindern versuchen, und den Beklagten, der Stadt Hamburg und der Bundesregierung, die lieber heute als morgen mit den Baggerarbeiten beginnen wollen. Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) rechnet damit, dass das Gericht im Januar ein Urteil fällt.

Das wird auch Zeit. 13 Jahre sind seit dem Start der ersten Planungen im Herbst 2003 zur mittlerweile neunten Elbvertiefung vergangen. In der Zwischenzeit wurden mögliche Auswirkungen des Bauvorhabens auf den Fluss, seine Ufer und alles, was daran und darin lebt, untersucht. Vom Schierlings-Wasserfenchel über den
afro-sibirischen Knutt und die Finte hin bis zur Löffelente wurden die Populationen bedrohter Tier- und Pflanzenarten studiert, katalogisiert und mit Zukunftsprognosen für die Zeit nach der Elbvertiefung versehen.

Vier Bundesbehörden, zwei Landesbehörden und etliche weitere Verwaltungsorgane haben sich mit dem Projekt befasst. Hinzu kommen die EU-Kommission und der Europäische Gerichtshof.

Mehr als 10.000 Seiten Papier umfassen Anträge, Gegenanträge, Gutachten und Prozessakten mittlerweile. „Kein Infrastrukturprojekt wurde so gründlich und in der Tiefe untersucht wie die Fahrrinnenanpassung“, sagt Senator Horch – und hat damit recht. Wer nach all diesen Untersuchungen behauptet, dass die Elbvertiefung ohne Auswirkungen auf die Umwelt bleibt, erzählt Unsinn. Man kann Ausgleichflächen schaffen, aber es wäre falsch zu glauben, dass ein so tiefer Eingriff in das Flusssystem dessen Morphologie nicht verändert.

Aber geht es darum? Geht es nicht vielmehr um eine ganz einfache Frage, deren Beantwortung das Gericht bisher gescheut hat?: Gilt der Primat der Ökonomie oder der Ökologie? Man kann die Auswirkungen der Elbvertiefung auf die Wasserqualität des Flusses auch noch auf atomarer und subatomarer Ebene untersuchen, aber um diese Frage kommt niemand herum: Sind die Interessen des Hafens, seiner Firmen und Arbeitsplätze höher einzuschätzen als die Interessen des Umweltschutzes oder umgekehrt?

Hier gibt es kein „sowohl als auch“. Alle Elbvertiefungsgegner, die in der Vergangenheit erzählten, der Hafen werde auch ohne die Baggermaßnahmen weiter wachsen, sind durch die jüngste Verlagerung von Ladungsanteilen in andere Häfen widerlegt worden. Es liegt im Interesse der Hamburger Wirtschaft, dass dieses Thema schnell entschieden wird.

Es ist auch von volkswirtschaft­lichem Interesse zu erfahren, ob In­frastrukturprojekte dieser Größe in diesem Land überhaupt noch durchführbar sind oder zu Tode prozessiert werden. Und schließlich muss Deutschland ausländischen Investoren zeigen, dass es für sie noch interessant ist. Ganz am Rande geht es auch um die Person Frank Horch. Dieser kämpft seit zehn Jahren in verschiedenen Positionen für die Elbvertiefung, von deren Notwendigkeit er überzeugt ist, auch wenn er aus der Gegend im Alten Land stammt, wo viele Gegner wohnen. Er will das Projekt in seiner Amtszeit abschließen. Vielleicht tun die Richter ihm den Gefallen.