Das OSZE-Treffen rückt endlich wieder die Scheinwerfer auf die Ukraine-Krise

Der Sinn von diplomatischen Großereignissen, die Hamburg dieser Tage zum ersten Mal seit Helmut Schmidts Zeiten hautnah erlebt, wird oft in Zweifel gezogen. Der zweifelsohne beträchtliche Aufwand wird dann in Beziehung zu den oft kümmerlichen Ergebnissen gesetzt. Wer so einfache Gleichungen aufmacht, darf schon einmal den Misserfolg dieser Hamburger Tagung kalkulieren: Weil 57 Staaten Mitglied der OSZE sind und alle Erklärungen einstimmig angenommen werden müssen, darf man lediglich mit Einigungen auf dem kleinsten politischen Nenner rechnen.

Und doch ist dieser kleinste politische Nenner viel größer, als es sich Außenstehenden erschließt. Es geht um die oft mühsame und gleichwohl unverzichtbare Arithmetik der Diplomatie. Die misst sich eben nicht nur in gesetzten Abschlusserklärungen, sondern auch in den Gesprächen am Rande, in verschwiegenen und halboffiziellen Runden.

In Hamburg wird dabei ein vergessener Konflikt endlich wieder in den Fokus rücken – der Krieg in der Ostukraine. Dort sterben weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit jede Woche Menschen in einem Krieg, der weder offiziell erklärt wurde noch nach klassischen Mustern verläuft. Es ist ein Konflikt, der vor sich hin köchelt, ohne zu explodieren. Das ist durchaus ein Erfolg der OECD. Sie stellt rund 700 Beobachter ab, die in den vergangenen Monaten zumindest eine massive Eskalation des Konflikts zwischen der Ukraine und prorussischen Freischärlern verhindern konnten. Sie sind die letzten Stützen des brüchigen Waffenstillstands, der in den Minsker Abkommen nicht zuletzt auf Vermittlung der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zustande kam.

Russland wie die Ukraine haben es in diesem Konflikt nicht an Entschlossenheit mangeln lassen, den Konflikt in den ostukrainischen Oblasten Donezk und Luhansk zu einem Krieg eskalieren zu lassen. Die Ukraine ließ nach dem fragwürdigen Machtwechsel infolge der Proteste auf dem Maidan jede ­Sensibilität für die Interessen der russischsprachigen Mitbürger im Osten vermissen; Russland wiederum nahm diese Sorgen zum Anlass, die Staatsgrenzen zu verschieben. Völkerrechtswidrig besetzte Russland die Krim und schürte die Kämpfe in der Ostukraine. Bis heute zündelt die russische Seite weiter; Kämpfer sickern ins Nachbarland ein, schwere Waffen und logistische Unterstützung kommen über die Grenze zu den Rebellen.

Krieg in Europa, den die OSZE für alle Zeiten verhindern sollte, ist heute wieder ein Mittel der Realpolitik. Schlimmer noch: Die dauerhaften Scharmützel bergen in sich die Gefahr der Eskalation. Die Weltöffentlichkeit ermüdet, erst hat sie sich an den Krieg in der Ostukraine gewöhnt, inzwischen verdrängt sie ihn. Dieser Gewöhnungseffekt spielt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände; über die völkerrechtswidrige Annexion der Krim spricht längst keiner mehr.

Leider spricht man auch kaum noch miteinander. Die G8 findet längst wieder als G7 ohne Russland statt, die deutsch-russischen Regierungskonsultationen sind auf Eis gelegt, an die Stelle des Dialogs sind Sanktionen getreten. Die OSZE ist eines der letzten Foren der Verständigung. Die Lage in der Ostukraine sei „instabil und unberechenbar“, sagte der Leiter der OSZE-Beobachtermission im September. Von Hamburg aus kann ein Signal der Stabilität ausgehen.

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