Bei namhaften Hamburger Firmen wandern die Leitungsfunktionen ins Ausland

Der maritime Standort Hamburg muss einen schweren Schlag einstecken. Die Reederei Hamburg Süd wird an den dänischen Rivalen Maersk verkauft. Die Bewertung dieses Vorgangs lässt wie bei allen großen Entscheidungen unterschiedliche Meinungen zu. Der Bielefelder Oetker-Konzern hat mit mutmaßlichen 4,4 Milliarden Euro einen guten Marktpreis erzielt und sich dabei von einem schwierigen Geschäftsfeld mit ungewisser Zukunft getrennt.

Die weltgrößte Reederei Maersk wird durch den Zugewinn noch größer und kann sich von den Mitbewerbern weiter absetzen. Die Reederei Hamburg Süd schlüpft in einen von einem starken Konzentrationsprozess geprägten Markt unter das sichere Dach eines Branchenriesen mit viel Kapital und kann nur hoffen, größtmögliche Eigenständigkeit zu bewahren.

Und was bedeutet die Übernahme für Hamburg? Nun, da fällt die Bewertung nicht so positiv aus. In erster Linie ist die gestrige Entscheidung ein weiteres Beispiel für den Ausverkauf maritimer Kompetenz an der Elbe. Immer mehr wichtige Firmen bekommen neue Eigentümer. Entscheidungsprozesse werden nicht mehr hier, sondern in anderen Vorstandsetagen gefällt. Im Zweifel gegen Hamburg.

Die Erosion findet schleichend statt: Sie begann 2013 mit der Übernahme des weltführenden Schiffsklassifizierers Germanischer Loyd durch die norwegische Det Norske Veritas. Die Entscheidungen fallen heute in Oslo. Die Sietas Werft wurde im März 2014 aus der Insolvenz von einem russischen Investor übernommen und gehört zur Pella Shipyard in St. Petersburg. Ihr großer Bruder im Schiffbau, Blohm + Voss, wurde kürzlich an die Lürssen-Gruppe in Bremen verkauft.

Größter Anteilseigner von Hamburgs Traditionsreederei Hapag-Lloyd ist heute ein Chilene, demnächst steigen Araber mit ein. Und jetzt verliert auch Hamburg Süd die Eigenständigkeit.

Die Gründe dafür sind unterschiedlicher Natur: Globalisierung, Werftensterben, Schifffahrtskrise – alles spielt hinein. Im Ergebnis ist es gleich. Kompetenzen werden abgezogen. Und der weltweiten Schifffahrt geht ein weiteres Stück Markt verloren.

Die Politik hat das längst erkannt, kann den Prozess aber nicht aufhalten. Sie versucht nun mit Milliardenhilfen die deutschen Reeder und die schiffsfinanzierende HSH Nordbank am Leben zu halten. Allerdings sollte die Regierung frühzeitig darauf achten, dass sich der Abbau von Entscheidungsgewalt nicht in anderen Wirtschaftszweigen fortsetzt. In diesem Zusammenhang sei an die Ankündigung von Airbus erinnert, mehr als 1000 Stellen streichen zu wollen und Zentralfunktionen aus Deutschland nach Toulouse zu verlagern.

Einmal hatte es den Versuch gegeben, der Globalisierung einen mutigen Schritt entgegenzusetzen und Hamburg in der Schifffahrtswelt wieder nach vorne zu bringen. 2013 wollten Hapag-Lloyd und Hamburg Süd zu einem großen Schifffahrtsunternehmen zusammenfinden. Doch damals wurde der Prozess durch die Hamburg-Süd-Eigner Oetker blockiert. Die unterschiedlichen Familienzweige konnten sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Hapag-Lloyd suchte sich neue Partner. Aber noch heute trauern Manager beider Reedereien der vertanen Chance hinterher. Insofern haben die Oetkers mit ihrem damaligen Zaudern Hamburg einen Bärendienst erwiesen.