Milliarden versanken in Schiffs- und Medienfonds. Und der Forschung fehlt Geld.

Die deutsche Nationalelf passt wunderbar zum Land: Beide sind schön anzusehen, multikulturell geprägt, weltweit beneidet – und meisterhaft im Auslassen von Chancen. Solange man trotzdem Erfolge feiert, gilt der lässige Umgang mit seinen Möglichkeiten als lässliche Sünde. Im Fußball mag das stimmen, in der Wirtschaft stimmt es schon weniger. Und in Wissenschaft und Forschung niemals.

Vermutlich werden in Zukunft viele Dissertationen zu dem Thema erscheinen, wie sich ein einstmals führender Wissenschaftsstandort aus Desinteresse, Geiz und Fatalismus in die Zweite Liga verabschiedet hat. Titel? Fehlanzeige. In diesem Jahr gingen die Nobelpreise komplett an Deutschland vorbei wie auch schon 2015. Bis zum Zweiten Weltkrieg führte der Standort die Nationenwertung an, inzwischen hat uns auch England überrundet. Das regt hierzulande weniger auf als eine schlechte Platzierung beim Eurovision Song Contest.

Politik nur bedingt verantwortlich

Besonders bitter ist die Ausbeute angesichts beachtlicher Forschungsleistungen, die hierzulande erbracht werden. Im Februar sorgte eine Meldung für Aufsehen, wonach Forscher aus Dresden und Hamburg des Heinrich-Pette-Instituts auf der Suche nach einem Mittel gegen HIV erste Erfolge erzielt hatten. Nun ist der Weg von vielversprechenden Forschungsergebnissen bis zur Zulassung extrem weit – in den meisten klinischen Studien zerplatzen die Hoffnungen. Warum aber die Forscher in diesem Fall offenbar nicht einmal die nötigen zehn bis zwölf Millionen Euro einwerben können, macht ratlos. Es geht immerhin um das Virus, das Aids auslösen kann.

Die Politik darf man für dieses Fiasko nur bedingt verantwortlich machen – sie kann klinische Studien nicht direkt fördern. Und Wissenschafts­senatorin Katharina Fegebank (Grüne) versucht emsig, mögliche Investoren aus der Wirtschaft, aber auch unter vermögenden Hamburgern zu finden.

Bill Gates hielt Deutschen Spiegel vor

Bitter allerdings, dass bislang noch keine Geldgeber bereitstehen. Die gesamte deutsche Biotech-Branche leidet unter zugenähten Taschen. Und der Weg an die Börse ist mangels Nachfrage hierzulande ebenfalls versperrt. Im vergangenen Jahr hielt ausgerechnet Bill Gates den Deutschen den Spiegel vor: Der Microsoft-Gründer überwies 46 Millionen Euro an ein Biotech-Unternehmen in Tübingen. Ein zweiter Investor ist der SAP-Gründer Dietmar Hopp, einer der letzten Deutschen, die ein Weltunternehmen aus dem Nichts geschaffen haben. Das war 1972.

Ein paar Wagniskapitalgeber aber reichen nicht für die Zukunft. Hierzulande mangelt es nicht an Geld, es mangelt an Mut – und einem Rahmen für Innovation. Hier darf man die Politik nicht aus der Verantwortung entlassen: Es mutet absurd an, mit welchen irrwitzigen Steuersparmodellen volkswirtschaftlicher Unsinn finanziert oder konjunkturelle Strohfeuer entzündet wurden. Halb Hollywood lacht noch heute herzhaft über „Stupid German Money“, das geschlossene Medienfonds in Deutschland einsammelten und in die USA überwiesen, wo es dann fröhlich verbrannt wurde. Ein anderes Beispiel sind die Schiffsfonds, von denen Hamburg lange Zeit profitiert hat – und unter deren Krise die Stadt heute leidet.

Es wäre an der Zeit, die Abermilliarden, die heute auf Konten und unter Kopfkissen herumliegen, endlich volkswirtschaftlich und gesellschaftlich intelligenter anzulegen. Um noch mal zum Fußball zu kommen: Dabei wird es natürlich auch Niederlagen geben. Aber nur wer wagt, der gewinnt.