... wenn Hamburger keinen Termin im Amt erhalten. Gut, dass der Senat handelt

„Die Hamburgerinnen und Hamburger wollen endlich wieder ordentlich regiert werden. ... Das erwarten sie von uns. Diese Erwartungen werden wir nicht enttäuschen.“

Mit diesen markigen Worten ging Olaf Scholz vor sechs Jahren in den Bürgerschaftswahlkampf. Nach der turbulenten Endphase des schwarz-grünen Experiments traf die forsche Ansage des selbstbewussten Sozialdemokraten den Nerv vieler Bürger. Das Ergebnis ist bekannt: Die Wähler statteten Scholz mit einer kaum für möglich gehaltenen (aus heutiger Sicht gilt das erst recht) absoluten Mehrheit aus.

Unter „ordentlich regieren“ durfte stets zweierlei verstanden werden. Erstens das Einhalten einiger weniger, aber großer Versprechen: Kita- und Studiengebühren abschaffen, Wohnungen bauen, Haushalt in Ordnung bringen – hier hat Scholz Wort gehalten.

Die zweite Ebene war zwar nicht mit konkreten Versprechen unterlegt, aber dennoch unmissverständlich: Hamburg sollte als Stadt funktionieren. Dazu zählen im Prinzip alle jene Selbstverständlichkeiten, die die Einwohner einer deutschen Großstadt erwarten dürfen: dass Bahnen und Busse pünktlich fahren, dass Polizisten für Sicherheit sorgen, dass sich genügend Lehrer um unsere Kinder kümmern. Das meiste davon läuft auch gut. Doch ausgerechnet in einem Punkt, der essenziell für eine funktionierende Stadt ist, gilt das nicht – dass die Bürger in eine Behörde gehen können, um dort die Angelegenheiten klären zu können, die sich ohne Beteiligung des Staates nun einmal nicht erledigen lassen: den Wohnsitz ummelden, einen Personalausweis beantragen oder einen Anwohner-Parkschein ausstellen lassen.

Über mehrere Jahre hatte sich die personelle Situation in diesen 20 Ämtern derart zugespitzt, dass es erst zunehmend schwerer und im Frühjahr gar unmöglich war, einen Termin zu bekommen. Wer es spontan versuchte, was unerwünscht ist, musste nicht selten nach acht Stunden Wartezeit unverrichteter Dinge wieder gehen.

Eine Zumutung für alle Hamburger, oder, angelehnt an die Worte von Olaf Scholz: Das war kein ordentliches Regieren. Überraschend war diese Situation nicht nur, weil sie Scholz’ selbst formuliertem Anspruch so eklatant zuwiderlief, sondern auch, weil es für ihn ein Leichtes gewesen wäre, das Pro­blem rechtzeitig zu lösen – an Durchgriffsmöglichkeiten in der sozialdemokratisch geprägten Verwaltung fehlt es nicht. Doch offensichtlich wurde dieser Brandherd im Rathaus unterschätzt.

So schlecht das Urteil ausfällt, so sehr muss aber auch betont werden, dass der Senat nun – besser spät als nie – handelt, und zwar massiv. Die Stellen in den Kundenzentren sind endlich wieder besetzt, und sogar eine Überbesetzung von 110 Prozent ist genehmigt, solange der Bearbeitungsstau noch nicht aufgelöst ist. Das ist gut, aber damit ist noch lange nicht alles gut.

Denn es kann nicht der Hamburger Anspruch sein, dass die Bürger innerhalb von zwei Monaten irgendwo in der Stadt einen Termin bekommen. Das Ziel muss eher lauten: Dringende Angelegenheiten kann jeder innerhalb von ein bis zwei Wochen möglichst wohnortnah erledigen. Zweitens sollte der Senat eine politische Lehre ziehen: Der oft zitierte Politikverdruss der Bevölkerung hat auch, aber nicht nur mit EU, Flüchtlingen oder GroKo-Streit zu tun. Seine Nahrung findet er ebenso im Kleinen: Wer keinen Termin im Kundenzentrum bekommt, ist wütend. Zu Recht. Und diese Wut entlädt sich gern bei Wahlen. Ordentliches Regieren kann dem vorbeugen.

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