Zu viele Hamburger Schüler haben erhebliche Schwächen in Mathematik und Deutsch
Lesen, Schreiben, Rechnen – das war über viele Jahrzehnte das Rüstzeug, mit dem die Schule jeden Schüler fürs Leben ausstatten musste. Die Grundregeln der Rechtschreibung und Zeichensetzung genauso wie die Grundrechenarten zu kennen und anzuwenden, am besten zu beherrschen – das ist heute unerlässliche Voraussetzung, um eine Berufsausbildung zu beginnen. Unnötig zu betonen, dass der souveräne Umgang mit diesen Kernkompetenzen das Leben am Beginn des 21. Jahrhunderts insgesamt erleichtert.
Der Blick auf die Ergebnisse der Kermit-Schülervergleichsarbeiten für die achte Klasse in Hamburg lässt Zweifel aufkommen, ob die Schulen die Basisqualifikationen im erforderlichen Umfang der weit überwiegenden Mehrheit aller Schüler vermitteln können. Wenn zum Beispiel mehr als 40 Prozent der Achtklässler an Stadtteilschulen im Fach Mathematik den Mindeststandard für den Hauptschulabschluss verfehlen, dann ist ein großes Fragezeichen angebracht, selbst wenn man berücksichtigt, dass theoretisch bis zum Abschluss am Ende von Klasse 10 noch zwei Jahre Zeit bleiben, um Versäumtes nachzuholen.
Nur: Hier handelt es sich um Basisqualifikationen, deren Grundlagen eigentlich viel früher gelegt worden sein sollen. Der Fairness halber sei hinzugefügt, dass frühere Schülergenerationen noch keine Leistungstests und Vergleichsstudien absolvieren mussten. Streng genommen wissen wir also nicht, ob es den Lehrern früher deutlich besser gelungen ist, elementares Alltagswissen zu vermitteln.
Das kann natürlich keine Ausflucht für heutige Defizite sein. Wahr ist außerdem, dass die Schwächen in Rechtschreibung und Mathematik bei einem nicht geringen Teil der Hamburger Schüler nicht zum ersten Mal in Vergleichstests festgestellt wurden.
Schulsenator Ties Rabe (SPD) versucht bereits gegenzusteuern: Es gibt einen verbindlichen Grundwortschatz von 800 Wörtern, der am Ende der Grundschule sicher beherrscht werden soll. Es werden wieder Diktate geschrieben. Besonders augenfällig sind die Anstrengungen in Mathematik: mehr Unterricht in den Klassen fünf bis zehn. Außerdem sollen in naher Zukunft nur noch Lehrer das Fach in der Mittelstufe unterrichten, die Mathematik auch studiert haben. Das war an Stadtteilschulen bei Weitem nicht immer der Fall.
Das Problem: Es wird mehrere Jahre dauern, bis ein Erfolg messbar wird. Vor allem die Stadtteilschulen mit ihrer sehr heterogenen Schülerschaft haben nicht die Zeit, in Ruhe abzuwarten. Im Übrigen droht am oberen Ende der Leistungsskala in diesem Jahr das bundesweite Zentralabitur.
Wenn bei Kermit 8 weniger als zwei Prozent der Stadtteilschüler in Rechtschreibung die beiden oberen Kompetenzstufen erreichen, für die die Perspektive Abitur naheliegt, dann ist das bitter wenig. In Mathematik ist es weniger als ein Prozent. Allerdings ist erfreulich, dass deutlich mehr Schüler als jene ein, zwei Prozent am Ende von Klasse elf – mit einem Jahr zusätzlich – doch den Übergang in die Oberstufe und bislang auch das Abitur schaffen.
Jeder substanzielle Eingriff in das Schulsystem braucht viele Jahre, bis er Wirkung entfaltet. Das gilt auch für die Reform der Bildungspläne, die die FDP jetzt als Konsequenz aus Kermit 8 fordert. Wichtig ist jedoch vor allem, zügig eine Art schnell wirkenden Masterplan zur Stärkung der Stadtteilschulen vorzulegen, die mit Inklusion und der Integration von Flüchtlingen zusätzliche Aufgaben schultern müssen.