Zu oft hat es der Club verpasst, nach einer südamerikanischen Investition auch in die Integration zu investieren.

Der Neue ist der Neunte. Das klingt gut, ist aber falsch. Denn genau genommen ist Douglas dos Santos Justino de Melo nach Cléber, Zé Roberto, Alex Silva, Thiago Neves, Aílton, Dondé, Luis Firmino Emerson, Nando und Buca bereits der zehnte Brasilianer, der in Hamburg beim HSV sein Glück sucht. Weil aber Letztgenannter, mit vollem Namen Waldomir Pacheco Buca, nach nur einem einzigen HSV-Einsatz in der Saison 1979/80 schnell wieder in Vergessenheit geriet, entsteht oft dieses Missverständnis über die tatsächliche Anzahl der Brasilianer beim HSV.

Ähnliches soll und wird Neuzugang Douglas Santos sicher nicht passieren. Und überhaupt: Man kann ohne große Aufschneiderei und guten Gewissens behaupten, dass kaum ein Club der Bundesliga eine so große Brasilien-Tradition hat wie der HSV. Die Aufzeichnungen reichen sogar bis 1899 zurück, als der in Hamburg geborene Fußballpionier Hans Nobiling ins ferne Brasilien auswanderte, dort die Germania São Paulo gründete und sich dabei auf die Vereinssatzung des HSV-Vorgängervereins SC Germania von 1887 berief.

Heute ist aus dem HSV e. V. in der Bundesliga eine HSV AG geworden – und auch von den zahlreichen Exportschlagern vom Zuckerhut ist in Hamburg – im Gegensatz zu Bayer Leverkusen – wenig in Erinnerung geblieben.

Bleibt die Frage: Warum eigentlich?

Die Antwort ist einfach und kompliziert zugleich. Die einfache Version: In Hamburg fehlen Sonne, Sand und Strand – und auch dieses komplizierte Deutsch macht die Sache nicht gerade leichter. Doch weil das alles auch für andere Fußballstandorte wie Leverkusen gilt, landet man schnell bei der komplizierten Version: Wer einen Sack von Millionen für ein brasilianisches Talent ausgibt, der sollte auch ein paar Euro übrig haben, um ein durchdachtes Konzept zur Adaptation des Spielers umzusetzen.

Die Investition in einen Spieler muss direkt mit der Investition in seine Integration verknüpft sein. So mag ein Wechsel rechtzeitig bis 18 Uhr MESZ am Tag der Transferfrist abgeschlossen sein, aber die eigentliche Arbeit fängt danach an. In einer Zeit, in der längst gesellschaftlicher Konsens ist, Flüchtlinge zu Integrations- und Sprachkursen zu verpflichten, sollte sich auch bei den Fußballclubs der Grundgedanke durchgesetzt haben, dass ein Fußballer nur dann Leistung bringt, wenn er in der neuen Wahlheimat integriert ist. Und was in der Politik tagtäglich betont wird, gilt natürlich auch für Fußballer: Integration ist keine Einbahnstraße.

Beim HSV sind noch immer Alex Silva und Thiago Neves in bester (oder schlechtester) Erinnerung, von denen bereits vor dem ersten Pflichtspiel Fotos auf der Großen Freiheit um 4 Uhr morgens in allen Zeitungsredaktionen kursierten. Und obwohl beiden mit Dennis Pauschinger ein persönlicher Betreuer zur Seite gestellt wurde, hat keiner von beiden je einen ernsthaften Versuch gewagt, Deutsch zu lernen oder sich zu integrieren. Legendär ist die Geschichte von Alex Silva, der nachts im eigenen Wohnzimmer ein Lagerfeuer gemacht haben soll. Was witzig klingt, ist vielmehr traurig: Silva war Alkoholiker, was er später öffentlich einräumte.

Doch wenn es darum geht, wer die besten Flanken schlägt oder wer am schnellsten die Linie hoch und runter läuft, dann ist oft trotz Millionensummen kein Geld mehr für eine vernünftige Vor- und Nachbereitung eines Transfers übrig. Dabei hatte der frühere HSV-Sportchef Peter Knäbel schon vor Jahren angemahnt, dass ein modernes Integrationsmanagement für einen Proficlub unersetzbar ist.

Immerhin: Mit dem gebürtigen Brasilianer Edson Büttner hat der HSV einen Mitarbeiter unter Vertrag, der sich seit Jahren redlich um die Neuzugänge vom Zuckerhut bemüht. Der gelernte Fremdsprachenkorrespondent Büttner muss dabei den schwierigen Spagat bewerkstelligen, die Neuen auf der einen Seite so viel wie möglich zu unterstützen, ohne sie dabei auf der anderen Seite zu verhätscheln.

Büttners Vorgänger Pauschinger hat übrigens mal vor Jahren ein fertiges und schriftliches Konzept zur Integration von Neuzugängen dem HSV vorgelegt. Eine Antwort hat er nie erhalten.