Viele möchten in der Stadt leben – hätten es aber gern so still wie auf dem Land

Manchmal öffnen alte Bilder die Augen. Wer historische Fotos von Sportveranstaltungen betrachtet, sieht nicht nur viele Zuschauer eng gedrängt auf den Rängen, sondern begeisterte Anwohner, die sich auf ihren Fensterbänken oder Balkonen lümmeln und das Geschehen betrachten. Vergangene Zeiten. Heute sitzen hinter den Dreifachverglasungen auch Menschen, die darauf sinnen, die Krachmacher von den Sportplätzen zu vertreiben.

Das jüngste Opfer verständnisloser Anwohner ist der traditionsreiche Fußballverein Teutonia 05. Seit nunmehr über 100 Jahren spielen dort Generationen von Ottenser Kindern an der Kreuzung Hohenzollernring/Bleicken-allee Fußball. Kleine Jungs wie Eric Maxim Choupo-Moting wurden dort zu großen Fußballern, unzählige Knaben lernten Sports- und Mannschaftsgeist, der Verein holte zugleich viele Bengel von der Straße. Vor einigen Jahren gewann der Verein sogar den Inte­grationspreis des Hamburger Fußballverbands. Anders als andere Clubs nimmt Teutonia 05 bis heute alle fußballinteressierten Kinder auf und pickt sich nicht nur die Talente heraus, die schon als Dreikäsehoch den Übersteiger beherrschen. Der Verein übernimmt also die Basisarbeit, die in Sonntagsreden stets gelobt wird.

Doch damit könnte es bald vorbei sein: Denn der Bezirk, alarmiert von einer Anwohnerin, hat nun die Nutzungszeiten extrem zusammengestrichen. Zum Verhängnis wurde dem Verein die Modernisierung des ehemaligen Grand- zu einem Kunstrasenplatz. Damit gelten neue Lärmimmissionswerte – und der Bestandsschutz des Fußballplatzes, der dort schon war, als noch kein Anwohner lebte, ist hinfällig.

Der Ärger der Ehrenamtler im Verein und der betroffenen Eltern und Kinder ist mehr als verständlich. Ausgerechnet in der Stadt, in der nächtelange Partys auf offener Straße namens „Cornern“ Anwohnern den Schlaf rauben und Polizei und Behörden trotzdem nur die „Situation beobachten“, werden Fußball spielende Kinder am Tage reglementiert. Übrigens in einer Stadt, die sich bis November um Olympische Spiele bewerben wollte.

Nun sei zur Ehrenrettung gesagt, dass der Hamburger Antrag, Sportvereine aus dem Immissionsschutzgesetz herauszunehmen, seit Monaten auf der Bundesebene blockiert wird. Dabei ist hier der Gesetzgeber gefragt. Die Gesellschaft therapiert mit Milliarden die Gestrauchelten und Desintegrierten. Sportvereinen aber, die erste Adresse der Prävention, wirft man noch Knüppel zwischen die Beine. Das starke Wort von Politikversagen, hier trifft es.

Denn Ottensen ist kein Einzelfall – in vielen Stadtteilen müssen sich Sportvereine gegen Nachbarn erwehren, die sich am Lärm spielender Kinder, am Verkehr oder einfach am Leben stören. Offenbar drohen in dieser Gesellschaft zwei Selbstverständlichkeiten in Vergessenheit zu geraten: Jeder Erwachsene war mal Kind. Und wer in der Stadt wohnt, hat ein gewisses Maß Leben und Lärm mitgebucht. Sportvereine gehören eben nicht an den Rand der Stadt, sondern ins Zentrum – sie gehören zur Grundversorgung einer Gesellschaft wie Schulen, Handel oder Grünflächen. Sie müssen für die Kinder zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar sein.

Gegenseitige Toleranz gehört zum Zusammenleben dazu – das gilt natürlich auch für die Sportvereine, die auf Anwohner Rücksicht nehmen müssen. Das gilt aber auch für Nachbarn. Nicht alles, was stört, rechtfertigt Widerstand. Und im Recht zu sein, bedeutet nicht, recht zu haben.