Überall Gewinner: Bürger und Politiker verhindern Volksentscheid zu Flüchtlingen. Es ist ein gutes Signal.
Kein Volksentscheid zum Thema Flüchtlinge! Niemals! Die Parole, die vom und im Hamburger Rathaus vor den Verhandlungen mit den Bürgerinitiativen ausgegeben wurde, war eindeutig. Bürgermeister Olaf Scholz und die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen wollten ein Referendum zur Flüchtlingsfrage um jeden Preis verhindern. Und es ist ihnen zum Glück gelungen. Mehr noch: Die Art und Weise, wie Politik in den vergangenen Monaten auf die Sorgen und Wünsche der Bürger eingegangen ist, ist beispielhaft – ein Vorbild für den künftigen Umgang mit Volksinitiativen.
Es passiert in politischen Auseinandersetzungen sehr selten, dass es so gut wie keine Verlierer gibt, dass Kompromisse nahezu allen nutzen. Im aktuellen Fall scheint es so zu sein. Die Politik hat ihr wichtigstes Ziel erreicht und einen weiteren, kaum kalkulierbaren Volksentscheid verhindert. Wenn man sich die Diskussionen über die Flüchtlinge und deren Integration in Hamburg seit dem vergangenen Sommer ansieht, erahnt man, welche Sprengkraft eine Befragung der Bürger dazu gehabt hätte – das Olympiareferendum wäre dagegen eine harmlose Abstimmung gewesen.
Die Verhandlungsstrategie von Bürgermeister und Senat ist aufgegangen. Scholz hat das Thema bewusst nicht zur Chefsache gemacht, trat, wenn überhaupt, nur am Rande auf. Die Arbeit ließ er den SPD-Fraktionschef Andreas Dressel und dessen grünen Kollegen Anjes Tjarks machen – das weithin respektierte A-Team (An-dreas & Anjes) der Hamburger Koalition, das wie wenige andere Politiker auf Augenhöhe mit den Bürgern sprechen kann. Die Einigung ist sein Meisterstück und dürfte für die Karrieren der beiden ein Vorteil sein. Dressel gilt mehr denn je als Ersatz-Bürgermeister, falls es Scholz irgendwann doch wieder in die Berliner Politik ziehen sollte. Man weiß ja nie.
Mindestens ebenso wie das A-Team und der Senat können sich die Bürgerinitiativen um Verhandlungsführer Klaus Schomacker als Sieger fühlen. Sie haben schon lange vor den Gesprächen Stärke bewiesen, als sie in kürzester Zeit Zehntausende Unterschriften für ihr Anliegen sammelten: eine deutliche Verkleinerung der überall in Hamburg geplanten Flüchtlingsunterkünfte zwecks einer besseren Integration. In dem nun erzielten Kompromiss haben sie, über diverse Bürgerverträge, große Teile ihrer Ziele durchgesetzt, ohne auf maximale Konfrontation zum Senat gehen zu müssen. Im Gegenteil: Die Bürgerinitiativen haben auch ihre schärfsten Kritiker widerlegt, die in dem von ihnen angezettelten Volksentscheid eine Kampagne gegen Flüchtlinge an sich sahen. Das Ergebnis zeigt: Bürgern wie Politik ging und geht es um die Sache. Und wenn die Sache so wichtig ist wie die Flüchtlingskrise, ist ein gemeinsames Vorgehen allemal besser als ein Duell.
Dieses hätte uns alle, das darf man nicht vergessen, im Ernstfall bis weit ins nächste Jahr beschäftigt. Einen Volksentscheid hätte es frühestens Ende 2017 gegeben – bis dahin wäre die Stadt in einem unsäglichen Wahlkampf von Anhängern und Gegnern gefangen gewesen. Nun können sich die Bürger und ihre Initiativen sowie die Politiker und ihre Parteien auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist: auf eine Verteilung der Flüchtlinge in den Stadtteilen, die deren Integration so schnell es geht möglich macht. Leicht wird das nicht, das ist allen Beteiligten bewusst. Aber jetzt kann man den Hamburgern mit gutem Gewissen sagen: Wir schaffen das ...