Im Prozess gegen eine Hamburgerin zeigt Bayerns Justiz unfassbare Härte
Für die Bayern ist ihr Oktoberfest nahezu ein Nationalheiligtum. Wer da nicht im Strom mitschwimmt, ist suspekt. In München ist jetzt in einem Prozess um einen lebensbedrohlichen Messerstich auf dem Oktoberfest ein Zeuge, der die Hamburger Angeklagte mit seiner Aussage entlasten könnte, wegen angeblicher Ungereimtheiten noch im Gerichtssaal festgenommen worden. Glaubt man ihm nicht, weil er auf der Wiesn knapp zwei Stunden lang einfach nur spazieren gegangen sein will? Weil er unbedingt ins legendäre Käfer-Zelt gehen wollte, als alle anderen es gerade verließen? Weil er mal von „Worten“, dann von „Wortfetzen“ sprach? Gravierende Widersprüche sind das wahrlich nicht.
Die Hamburgerin hatte bei Käfer einen Mann, der wütend auf sie losging, niedergestochen und schwer verletzt. Nach ihrer Darstellung war es Notwehr, weil er sie angegriffen und bedroht habe. Und der Zeuge hatte ihre Version bestätigt.
Die Festnahme ist ein skandalöser Vorgang. Die Verteidigung spricht davon, es mache den Eindruck von Beugehaft. Das ist aus ihrer Sicht nachvollziehbar. Schließlich wird in dem Verfahren offenbar mit zweierlei Maß gemessen. Ein Mann, der für die Angeklagte aussagt, bekommt die ganze Härte der Justiz zu spüren. Ermittlungen gegen den Verletzten dagegen werden eingestellt. Dabei hatte er laut Zeugen gesagt, er habe seinerzeit selbst gezüchtete halluzinogene Pilze konsumiert. Und der Anbau solcher Pilze ist strafbar.
In Hamburg ist es Usus, dass die Staatsanwaltschaft einen Zeugen, den sie für unglaubwürdig hält, eindringlich vor juristischen Folgen warnt. Aber eine Festnahme im Gerichtssaal, wie bei einem Schwerverbrecher? An der Elbe ist dies kaum vorstellbar. Zum Glück!