Der Klimaschutzplan der Bundesregierung ist grüner als die Grünen

Vor drei Jahren schossen die Grünen im Bundestagswahlkampf ein folgenreiches Eigentor: Sie wollten der Republik einen freiwilligen fleischlosen Tag verordnen und steckten dafür heftige Prügel ein – in den Netzwerken tobten die Wutbürger, Kommentatoren prangerten die Bevormundung der Bürger an, Union und FDP gelang es sogar, die Grünen als „Partei der Verbote“ darzustellen. Am Ende galt der Veggieday als einer der Gründe für die grüne Wahlschlappe.

Vermutlich hatte Sigmar Gabriel diese Wahlkampf-Episode noch im Kopf, als er nun eifrig mit dem Rotstift im Klimaschutzplan seiner SPD-Parteifreundin Barbara Hendricks herumstrich. So entfielen verbindliche Ziele zur Treibhausgas-Reduktion und der ursprünglich geplante Ausstieg aus der Kohle. Die scharfe Kritik der Linken und Grünen klingt aber trotzdem übertrieben. Der Klimaschutzplan fordert noch immer nichts weniger als eine grüne Republik.

Er enthält Forderungen, die den Veggieday zur Petitesse schrumpfen. So sollen bis 2050 die Bundesbürger ihren Fleischkonsum mehr als halbieren. Viele weitere Maßnahmen werden die Bürger bewegen – von der „Umgestaltung der Abgaben und Umlagen im Bereich des Verkehrs“, was nichts anderes heißt als eine Umsteuerung Richtung Fahrrad, bis zum „Abbau der Wiederkäuerbestände“, was das Aus für viele Rinderzüchter bedeuten dürfte.

Die Stadtentwicklung, die einst ihr Heil auf der grünen Wiese suchte, soll sich umkehren hin zu einer Stadt der kurzen Wege. Schon ab 2030 sollen neue Autos auf Benzin und Diesel als Treibstoff verzichten, in Neubauten werden dann Gas- und Ölheizungen verboten. Da spotte noch einer über die Grünen.

Nun mag das Jahr 2030 wie Science-Fiction klingen, es ist in Wahrheit aber zum Greifen nah – genauso nah wie Neujahr 2003. Nur für die Politik ist alles, was weiter entfernt liegt als die übernächste Wahl, ferne Zukunftsmusik. Das erklärt den geradezu revolutionären Mut im Plan des Bundesumweltministeriums.

Auch wenn sich bis zur konkreten Umsetzung noch viele Punkte verändern werden, führt das Programm in die richtige Richtung. Beim Gipfel in Paris haben sich die Politiker im Dezember für ihren historischen Klimavertrag feiern lassen. Nun müssen hehren Worten große Taten folgen.

Nur wer Ziele formuliert, kann nach ihnen handeln. Sie schaffen einen Rahmen, in dem neue Technologien – umweltfreundliche Antriebe, energieeffiziente Gebäude, neue Speicher­formen von Ökostrom – effizient gefördert und schneller zur Marktreife gebracht werden. Über Windräder und Solarzellen haben sich viele lange lustig gemacht – nun setzt die halbe Welt darauf. Zugleich sollte man aus den Fehlern des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes lernen – statt Anreize zu setzen, ist es längst zur Überförderung verkommen, die wie eine Geldumverteilungsmaschine wirkt.

Viele Fehler kann sich die Regierung beim Klimaschutz nicht erlauben. Der Mut der Politik muss den Unmut der Wähler einkalkulieren – alle sind gegen den Klimawandel, aber nur wenige für die nötigen Reformen. Der von Umweltschützern ersehnte Kohleausstieg etwa wäre prima für die CO2-Bilanz, könnte sich aber verheerend auf die Wirtschaft und damit Wahlergebnisse auswirken. Auch Klimaschutz benötigt Mehrheiten. Deshalb muss für eine ökologische Lebensweise geworben werden. Ein Fleischlos-Tag wäre kein schlechter Anfang.