Der Ausbau des überlasteten Hauptbahnhofs darf nicht länger verschoben werden
Was gemeint ist, wenn von einer Überlastung des Hauptbahnhofs gesprochen wird, lässt sich nachmittags leicht auf dem Südsteg erfahren. Eine dichte Menschenmasse schiebt sich dort in zwei Richtungen – unmöglich, auch nur kurz mittendrin stehen zu bleiben. Kein Zweifel, mit jetzt 500.000 Fahrgästen, die hier jeden Tag ein-, aus- oder umsteigen, ist eine Grenze erreicht. Für Fahrgäste ist es oft schwer erträglich, sich im Hauptbahnhof aufzuhalten und auf den nächsten Zug zu warten.
Dass Bahn und Stadt jetzt mit vielen kleinen Umbauten versuchen, diesen Andrang zu entzerren, ist überfällig. Was aber fehlt, sind die wirklich großen Projekte. Zum einen muss der Bahnhof selbst fit gemacht werden für die kommenden Jahrzehnte, in denen der öffentliche Verkehr immer wichtiger wird. Und darüber hinaus müssen die eigentlichen Bahnanlagen ausgebaut, Gleise und Weichen rund um Hamburg erneuert werden. Denn Überlastung heißt auch, dass Züge immer wieder auf eine Einfahrt warten müssen – und damit die Fahrgäste auf pünktliche Verbindungen. Eine neue S 4 nach Ahrensburg oder der Neubau des Fernbahnhofs Altona an der Station Diebsteich könnten zudem große Entlastungen bringen.
Das sind aber oft sehr langwierige Projekte mit teils ungewisser Zukunft. So ist das Projekt S 4 noch nicht einmal im Bundesverkehrswegeplan als vordringlicher Bedarf eingestuft.
Zügiger könnte es hingegen mit dem Ausbau des Hauptbahnhof-Gebäudes gehen, um den Menschenandrang zu entzerren. Und dazu braucht man keinen Bundesplan, dazu braucht man nur schnelle Entscheidungen der Stadt. Die wesentliche Idee ist, dass man die denkmalgeschützte Halle am Südsteg zur Steintordammbrücke hin öffnet und einen zusätzlichen Zugang zu den Bahnsteigen schafft. Auch Busse könnten dann dort halten – und die Wege zusätzlich verkürzen. Viele andere Möglichkeiten gibt es nicht. Einfach verbreitern lässt sich die 110 Jahre alte Bahnhofshalle nicht, weil sie unter Denkmalschutz steht. Der Hauptbahnhof liegt zudem in einem ehemaligen Stadtgraben und ist quasi eingezwängt zwischen alten Bunkeranlagen, dem Wallringtunnel und der S-Bahn.
Bleibt also nur die Öffnung zur Steintordammbrücke. Dazu muss man aber den heutigen Autoverkehr dort irgendwie verlegen. Das ist offenbar schwierig, vielleicht mangelt es aber auch an Mut zu einem radikalen Schritt. Ursprünglich wollte die Stadt eine Verkehrsanalyse dafür bereits in diesem Jahr vorlegen, nun wird das Ergebnis aber erst für Anfang 2017 erwartet. Man muss gar nicht fürchterlich pessimistisch sein, um zu erwarten, dass es nun nichts mehr werden kann mit einem Ausbau in einem Jahr.
Dabei drängt die Zeit. Die Verkehrsbehörde in Hamburg selbst erwartet im Nahverkehr einen deutlichen Zuwachs der Fahrgastzahlen in den kommenden Jahren. Und der werde stärker sein als die vorhandenen Kapazitäten am Bahnhof, warnte erst vor wenigen Tagen der zuständige Amtsleiter in der Verkehrsbehörde.
Darum ist es wenig verständlich, dass Hamburg nicht Tempo macht: Mittlerweile gibt es wohl keinen Verkehrspolitiker mehr, der glaubt, man könne in einer wachsenden Metropole die zusätzlichen Verkehrsströme mit noch mehr Autos abdecken. Aber je mehr sich die Menschen in solchen Massen wie im Hauptbahnhof bewegen müssen, desto unattraktiver wird der Umstieg vom Auto auf die Bahn. Und das kann niemand wollen.