Der Hamburger Senat senkt die Flüchtlingsprognose. Was bedeutet dies für neue Großsiedlungen?

Endlich ist es so weit: Nachdem die Flüchtlingszahlen fünf Monate in Folge massiv zurückgegangen sind, senkt der Senat seine Prognose. Angesichts der aktuellen Zahlen (zuletzt musste die Stadt lediglich 346 Menschen unterbringen) wäre ein Beharren auf den bisherigen Berechnungen auch nicht mehr vertretbar gewesen. Die sahen allein für dieses Jahr die Schaffung von 40.000 zusätzlichen Unterbringungsplätzen vor. Nach der neuen Prognose sind es jetzt 14.500 Plätze, also nur noch ein gutes Drittel. Insofern ist die Korrektur überfällig gewesen.

Dass die Stadt ihre Prognose nach unten korrigieren würde, hatte sich lange abgezeichnet. Zuletzt zeigte sich das an dem ambitionierten Projekt der HafenCity Universität. Mit dem digitalen Stadtmodell, dessen Einführung Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) initiiert hatte, sollen lediglich 20.000 Unterbringungsplätze gefunden werden, also die Hälfte der bisherigen Prognose. Es ließe sich einwenden, dass die Macher eine leichter zu lösende Aufgabe stellen wollten. Tatsächlich wird wohl klar gewesen sein, dass man mehr Plätze nicht brauchen würde.

Erste Anzeichen einer Entspannung hatte es bereits im Frühjahr gegeben. Da steuerte die Stadt bei ihrem sogenannten Expresswohnungsprogramm nach. Statt der ursprünglich vorgesehenen 5600 Wohnungen, verteilt auf je einen Standort pro Bezirk, sollten es dann nur noch 4800 Wohnungen sein. Es wird sich nun zeigen, was die neue Prognose für den Expresswohnungsbau bedeutet. Auf jeden Fall wird sie die Forderung derjenigen befeuern, die schon seit jeher das Ende dieses Programms fordern. Zumindest aber wird sich die Stadt auf Korrekturen einlassen müssen. Dass sie das tun wird, ist allein schon deshalb nicht unwahrscheinlich, weil es diese Korrekturen völlig unabhängig von der neuen Prognose längst gibt.

Der jüngste Beleg dafür ist der gestern vorgestellte erste Bürgervertrag der Stadt Hamburg mit der Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek zur Unterbringung und Integration von Flüchtlingen. Der Vertrag sieht vor, dass im Stadtteil südlich der Elbe künftig nur noch maximal 1500 Unterkunftsplätze errichtet werden. Ursprünglich waren dort 3000 vorgesehen. Der Bürgervertrag kann somit ein weiteres Anzeichen dafür sein, dass sich ein Volksentscheid zur Flüchtlingsunterbringung noch abwenden lässt.

Einfluss werden die Zahlen auch auf die Anwendung des neu geschaffenen Baurechts haben. Dieses war im vergangenen Herbst im Zuge des sogenannten Asyl-Beschleunigungsgesetzes in Kraft getreten. Es sieht vor, dass Wohnungsbau für Flüchtlinge auch auf Flächen genehmigt werden kann, wo es nach geltendem Baurecht nicht möglich wäre. Allerdings nur dann, wenn tatsächlich eine Notlage besteht. Ob man bei 14.500 Flüchtlingen im Jahr weiterhin von einer Notlage sprechen kann, werden am Ende wohl Gerichte entscheiden müssen.

Bei allen Erleichterungen, die die sinkenden Flüchtlingszahlen für die zusätzlichen Unterbringungskapazitäten mit sich bringen, darf nicht vergessen werden, dass es für die bereits in Hamburg lebenden Flüchtlinge weiter viel zu tun gibt. Es leben noch 9000 Menschen in Erstunterkünften, obwohl sie eigentlich längst in Folgeunterkünfte gehören. Erst dort nämlich kann Integration richtig beginnen.

Am Ende aber nützt auch die schönste Prognose nichts. Wenn der Flüchtlingsdeal mit der Türkei platzt, dann beginnen die Unterbringungsprobleme von vorn.