Wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Flüchtlinge im Internet aufklärt. Auch mancher Einheimische könnte da noch etwas lernen.

    Flüchtlinge müssen in Deutschland einiges verkraften. Damit meine ich nicht das neue Integrationsgesetz, sondern die Handreichungen, um Deutschland und die Deutschen besser zu verstehen. Schon im Februar starteten die Caritas in Köln und das „Fest­komitee Kölner Karneval“ Versuche, Flüchtlingen in Crashkursen und mit Flugblättern den alljährlichen rheinischen Ausnahmezustand zu erklären. Inzwischen zog die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nach: mit zanzu.de, einem umfangreichen Sexualaufklärungsportal. Sexstellungen, diverse Praktiken, der Einsatz von Körperteilen – alles wird in 13 Sprachen detailliert beschrieben und mit Piktogrammen dargestellt. Zielgruppe sind jene Flüchtlinge, die es für möglich halten, über kurz oder lang mit deutschen Partnern/-innen intim zu werden.

    Nun wäre es irrig anzunehmen, dass Kinder in den Herkunftsländern bisher rein zufällig oder plötzlich bei der Sesam-Ernte entstanden wären. Man muss davon ausgehen, dass Sex als solcher auch in der arabischen Welt bereits bekannt ist. Themen wie Sex und Sexualaufklärung sind allerdings in arabischen und vielen afrikanischen Ländern ein Tabu. Einerseits gehören muslimische Länder im Nahen Osten neben Pakistan, Nigeria, der Türkei und Indien laut Google zu den Hauptkonsumenten von Internetpornos. Beim Handel mit Erotika hingegen sei der muslimische Markt „riesig und noch völlig unerschlossen“, erkannte Abdelaziz Aouragh, Gründer des Onlineshops Al Asira, der kürzlich ein Joint Venture mit Beate Uhse einging. Da Gerätschaften wie Vibratoren in den meisten arabischen Ländern verboten seien, beschränke sich Al Asira auf Islam-verträgliche Produkte „sinnlicher Körperpflege“ wie Massageöle oder Creme für Intimzonen („kühl und trocken lagern“). Aber Europäer hätten ohnehin eine falsche Vorstellung von arabischer Erotik.

    Wahrscheinlich haben viele Flüchtlinge auch eine falsche Vorstellung von deutscher Erotik. Schon die Reeperbahn als „sündigste Meile der Welt“ wirft sicher jede Menge Fragen auf, etwa: Tragen alle Deutschen zu Hause Reizwäsche? Wie oft im Monat haben sie Sex? Auch nach 23 Uhr? Na ja, manche Frauen liegen im Jogginganzug wie Kegelrobben auf dem Sofa und lösen Sudokus, während ihre Männer Guido Knopp gucken, aber das ist vielleicht ein internationales Phänomen.

    Zugegeben: Den Umgang eines Landes mit Liebe und Sex zu erläutern ist gar nicht so einfach, wenn man es mit Menschen zu tun hat, in deren Heimat viele Freiheiten nur heimlich ausgelebt werden können. Zanzu.de erklärt zum Beispiel, dass man in Deutschland nicht miteinander verheiratet sein muss, um Sex zu haben. Das ist eigentlich nicht der Punkt: In Deutschland wird man nicht bestraft, wenn man fremdgeht. Auch manche anderen Erklärungen wirken etwas knöchern, etwa zum Stichwort Gelegenheitssex: „Manchmal kennen sich die Partnerinnen/Partner im Vorfeld, manchmal nicht.“ Oder zum Stichwort„Guter Sex“: „Die Häufigkeit, mit der ein Paar Sex hat, ändert sich im Verlauf einer Beziehung.“ Na so was. Erfreulich konkret hingegen steht da, was man alles beim Vorspiel und beim Sex tun kann. Die Piktogramme zeigen auch, dass man in Deutschland nicht nur die Missionarsstellung kennt. Aber was fehlt, ist: Wie kommt man dahin? Wie startet man ein Anbahnungsgespräch? Bestimmt nicht, indem man sich einer fremden Frau strahlend in den Weg stellt und „ficki, ficki“ ruft. Eignen sich bestimmte Themen zum Kennenlernen wie Pink Floyd, Golf oder Haustierpflege? (Vielleicht nicht gerade Schweinezucht.) Gibt es Do’s und Dont’s? Sollte man eine Zehnerpackung Kondome dabeihaben, wenn man auf die Piste geht?

    Die zentrale Botschaft auf zanzu.de lautet: Sex ist, was beide Partner wollen und angenehm finden. Jeder solle „auf die Gefühle und Wünsche des jeweils anderen achten, Intimität teilen und die richtige Atmosphäre schaffen“. Eine schöne, klare Ansage. Diese Online-Aufklärung ist sehr deutsch, nämlich gründlich-sachlich und etwas medizinisch. Aber für viele Neuankömmlinge dürfte sie das erste Angebot dieser Art sein. Mich beschleicht der Eindruck, dass sie auch vielen Einheimischen weiterhelfen würde.