Fotofahndung nach Täterin aus der S-Bahn dauerte sieben Monate

Es ist sehr einfach, sich in die Rolle eines Ermittlers hineinzudenken, wenn es um die Aufklärung einer Straftat geht. Man möchte jedes verfügbare Mittel einsetzen, um das Verbrechen aufzuklären und den Täter zu überführen. Besonders dann, wenn zur Ergreifung des mutmaßlichen Verbrechers nur noch der Name und der Aufenthaltsort fehlen, etwa weil es bereits ein Foto des Verdächtigen gibt – wie jetzt im Fall der Großmutter in der Hamburger S-Bahn, die ihre Enkelin misshandelte. Die Öffentlichkeit zu fragen, um wen es sich auf dem Foto handelt, führt in der Regel sofort zum Erfolg. Doch auch mutmaßliche Täter haben Rechte. Etwa die auf den Schutz ihrer Persönlichkeit. Es ist gut, dass sich Ermittlungsbehörden meist sehr schwer damit tun, diese Rechte einzuschränken. Das macht den Rechtsstaat eben aus.

Wohin es führen kann, wenn Ermittler diese Rechte leichtfertig aufs Spiel setzen, zeigt ein tragischer Fall aus dem Jahr 2007. Damals beschuldigte eine junge Frau ihren Lebensgefährten, das Neugeborene getötet und aus dem zehnten Stock eines Hochhauses geworfen zu haben. Ihre Geschichte klang überzeugend. Nicht zuletzt deshalb, weil sich der Mann alles andere als vorbildlicher Partner gezeigt hatte. Per Foto suchten die Fahnder öffentlich nach dem vermeintlichen Hamburger Babymörder. Jeder interessierte Zeitungsleser und Fernsehzuschauer kannte sein Gesicht. Doch kurz darauf stellte sich heraus, dass die Frau das Kind in einem Akt der Verzweiflung selbst umgebracht hatte. Die Folgen für den Mann waren verheerend: Das Verbrechen haftet einem falsch Beschuldigten an – womöglich für immer.

Auch deshalb ist ein sorgsames Abwägen bei der Frage nach einer öffentlichen Fahndung wichtig. Doch im Fall der Großmutter, die ihr Enkelkind misshandelt hat, ist die lange Zeit der Zurückhaltung nicht nachvollziehbar. Sieben Monate dauerte es, bis die Fahnder ein Foto veröffentlichten. Und das, obwohl sie sicher sein konnten, dass die Frau auf dem Foto die Täterin war. Auch wenn erst andere Fahndungsmaßnahmen ausgeschöpft werden müssen, haben die Behörden hier viel zu lange gewartet. Zu lange für das Kind, das sieben unnötige Monate bei seiner Großmutter leben musste.