Warum Integration auch für Flüchtlinge, die keine Bleibeperspektive haben, so wichtig ist.
Kann Integration zu früh beginnen? Ist das Mitwirken am gedeihlichen Zusammenleben in einer Flüchtlingsunterkunft schlecht für jene, die in ihre Heimat zurückkehren müssen, weil sie hier keinen Aufenthaltsstatus erhalten werden? Der Gesetzgeber legt sehr strenge Maßstäbe für Flüchtlinge in den sogenannten Erstaufnahmeeinrichtungen an. Jede Tätigkeit, die mit Integration zu tun hat, ist nur jenen vorbehalten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bleiben dürfen. Alle anderen sollen erst gar nicht in Berührung damit kommen, weil sie ja wieder zurückkehren müssen.
Aber Integration ist keine Einbahnstraße. Beide Seiten profitieren davon, egal wie lange sich die Schutzsuchenden in Deutschland aufhalten. Wer Flüchtlingen – auch jene ohne eine Bleibeperspektive – ein Mindestmaß an Einbindung versagt, kann auf der anderen Seite nicht erwarten, dass diese sich an alle hier üblichen Regeln halten. Wohin das führen kann, haben die sexuellen Übergriffe zu Silvester in Hamburg und Köln gezeigt. Insofern kann Integration auch ein Sicherheitsaspekt sein und sollte kein Gradmesser für die Dauer des Aufenthalts sein.
Wer schon in der Erstaufnahme in die Pflicht genommen wird, wenn es etwa darum geht, die Gemeinschaftsräume oder das Gelände sauber zu halten, ist nicht nur vom zermürbendem Nichtstun befreit, sondern übernimmt auch Verantwortung. Was Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) von der geltenden Rechtslage hält, wurde auf dem Flüchtlingsforum des Abendblatts deutlich, auf dem sie kritisierte, dass Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive „möglichst wenig Integrationserfahrung“ machen sollen.
Nun mag sich vielleicht nicht jeder Flüchtling gleichermaßen einbringen. Aber ehrenamtliche Helfer berichten immer wieder von Hürden, vor die sie selbst oder die Bewohner der Unterkünfte gestellt werden. Wovor hat der Gesetzgeber Angst? Dass ein Flüchtling, der kein Bleiberecht erhält, nicht zurückkehrt, weil man ihm die hier geltenden Werte erläutert und ihn am Leben beteiligt hat? Flüchtlinge, egal aus welchen Gründen sie hierherkommen, sind nicht unmündig.
Immerhin gibt es erste Anzeichen einer Lockerung. So dürfen Flüchtlinge beispielsweise Laub kehren, Müll einsammeln oder Geschirr abräumen. Mittlerweile laufen auch Verhandlungen darüber, wie Hygienevorschriften von Helfern und Flüchtlingen eingehalten werden können, auch wenn nicht jeder einzelne ein Gesundheitszeugnis in Händen hält. Was nämlich nicht passieren darf, ist, dass die Hilfsbereitschaft so vieler Hamburger abreißt, weil Paragrafen einem Engagement in Wege stehen.
Allerdings sind einige Vorschriften durchaus sinnvoll. So gab es in einzelnen Unterkünften bereits Krätze-Vorfälle. Daher gehört etwa das Säubern der Sanitärräume gerade in den engen Erstunterkünften in professionelle Hände. Und so hat es auch überhaupt nichts mit Luxus zu tun, wenn dort die Bewohner diese Aufgaben nicht übernehmen. Vielmehr übernehmen die Betreiber der Unterkünfte damit ein hohes Maß an Verantwortung für die Gesundheit der Flüchtlinge. Es ist auch verständlich, dass einige Betreiber es untersagen, selbst gemachte Speisen an die Flüchtlinge zu verteilen. Am Ende tragen die Leitungen der Unterkünfte die Verantwortung für mögliche Infektionen.
Mehr Augenmaß aber ist beim Verteilen von Spielsachen oder von Kuscheltieren an Kinder angebracht. Das zu unterbinden grenzt schon an Regulierungswut. Auf die Frage, wie man damit am besten umgehen sollte, gaben die Abendblatt-Leser auf dem Flüchtlingsforum die beste Antwort: „Einfach machen!“