Das Programm des Hamburger Konzerthauses weckt Vorfreude und große Lust auf Weltklasse
Wer sich, ehe überhaupt der erste Ton erklingt, überwältigen lassen will, dem wird es an Tagen wie diesen leicht gemacht. Denn der natürliche Komplize der Elbphilharmonie – bevor die Musik diese Rolle übernehmen soll und fraglos wird – ist: der Himmel. Die Weite. Der Blick geht nach oben, das Blinzeln gegen die Sonne, das Blau, die Wolken, die mal mehr, mal weniger dramatisch über die milchigen Zacken ziehen. Sogar die Möwen umkreisen die Fassade so hingebungsvoll kreischend, als seien sie dem Bürgermeister persönlich verpflichtet, sich maximal malerisch in die Kulisse zu fügen.
Die Elbphilharmonie ist längst eine feste Bezugsgröße im Hafen. Architektonisch. Auch emotional? Für manche sicher. Aber die Prognose fällt leicht: Es werden mehr werden, viel mehr, und es geht jetzt los. Die Verantwortlichen jedenfalls tun alles dafür, die Vorfreude zu schüren. Und es fällt nicht schwer, sich dieser Vorfreude ganz hinzugeben, wenn man – wie bei der offiziellen Pressekonferenz zum allerersten Saisonprogramm – die Fülle, Vielfalt und musikalische Brillanz sieht, die aufgefahren wird, um das spektakuläre Gebäude zu dem zu machen, was es sein soll und will: ein Konzerthaus, das international Standards setzt, und ein im besten Sinne „demokratisches“ Haus. Weltklasse, an der die gesamte Stadt teilhaben kann. Exzellenz, die erschwinglich ist (Karten ab sechs Euro, also teilweise günstiger als jede Kinokarte!) und für die erkennbar alle Anstrengung unternommen wird, um sie – niedrigschwellig, wie das in solchen Fällen so schön heißt – Hamburgern ebenso wie Besuchern nahezubringen und zu ermöglichen.
Musikalischen Anspruch und einen gewissen Glamourfaktor darf man bei einer Vision dieser Größenordnung wohl voraussetzen. Das Fundament, auf dem das Haus fest stehen und sich schließlich verwurzeln soll, ist jedoch die gesellschaftliche Relevanz als Ort der Begegnung und, sehr zentral, die Nachwuchsförderung. Dreimal so viele Veranstaltungen wie bislang soll es rund um die musikalische (Früh-)Erziehung künftig geben, allein 1500 Ereignisse im sogenannten Education-Bereich – ein unmissverständliches Signal, dass man sich hier nicht nur um eine imposante Eröffnung und das anschließende Highlight-Hopping bemüht, sondern langfristig denkt und plant. Gleichzeitig gilt es natürlich – und das Gebäude selbst macht ja diesen Spagat beispielhaft vor –, den Kopf frei zu haben, um ihn keck in den Himmel recken zu können. Abenteuerlust, Kontraste, Radikalität und Risikobereitschaft darf man von einem Ort der Spitzenkultur schon erwarten.
Und jetzt, genau jetzt ist Aufbruch. Die Welle rollt. Der Rückwärtsgang ist keine Option. Ein ambitioniertes Musikfest wie das, was in neun Tagen startet, bezeichnet selbst der verantwortliche Intendant nurmehr als „Vorgeschmack“, und schon die Programmpressekonferenz ist (trotz Kälte und unsexy Parkhaus-Atmosphäre) so rappelvoll, dass man fast den Eindruck gewinnt, einige hatten heimlich mit dem Auftaktkonzert gerechnet.
Die Ellenbogen werden langsam angewärmt, um sie beim Run auf die mutmaßlich höchstbegehrten Tickets (und/oder Gästelistenplätze für Sponsoren und andere Freunde des Hauses) rechtzeitig ausfahren zu können. Die Geschichte der Elbphilharmonie ist auch eine von Perspektive und Bildausschnitt: Der Blick verharrt nicht mehr auf den Kontoständen. Er bleibt auch nicht beim Panorama hängen. Er geht ins Programmheft. Und also bald tatsächlich in den Saal. Und man beginnt, fast verblüfft, zu ahnen, dass man besser gleich ein Klappbett im Foyer aufstellt. Weil man so unbedingt dabei sein will, wenn der erste Ton erklingt.
Und zwar jeden Abend wieder.