Der Streit um die Hochhäuser am Klosterwall zeigt: Denkmalschutz funktioniert nur, wenn Bürger ihn verstehen. Und diese Akzeptanz ist stark gefährdet, wenn eine Gründerzeitvilla nach der anderen verschwindet.

Die Debatten um den City-Hof, das Areal der Commerzbank und die Entwicklungen an der Elbchaussee habe ich als ehemaliges Mitglied des Denkmalrats intensiv miterlebt. Diskussionen um Fragen des Denkmalwertes müssen immer differenziert am konkreten Objekt geführt werden. Es wäre falsch, die Diskussion um den City-Hof mit der Frage des Umgangs mit dem Hochhaus der Commerzbank zu verknüpfen. Natürlich wird der City-Hof von seinen Liebhabern als Fanal für das „Aushebeln“ des Denkmalschutzes durch die Hansestadt angesehen.

Beim City-Hof – den vier Hochhäusern am Klosterwall – geht es aber zunächst um die Frage, ob der Status eines Denkmals überhaupt gerechtfertigt ist. Im Zuge der Reform des Denkmalschutzgesetzes wurden 2013 viele bis dahin sogenannte erkannte Denkmäler automatisch in die Denkmalliste übernommen. Das Regulativ eines möglichen Widerspruchs des Eigentümers, über den dann unter Einschaltung des Denkmalrats entschieden wurde, fehlt seitdem. Grundlage für die Unterschutzstellung des City-Hofs ist ein Gutachten des Denkmalschutzamts aus dem Jahr 2012. Hierin gibt es viele diskussionswürdige und teilweise sehr steile Thesen. Die Gegensätzlichkeit zum Kontorhausviertel mit (angeblich) „offenen Blickachsen zum Sprinkenhof“ und der dem Anstieg des Geesthangs entsprechenden Höhenstaffelung der Hochhausscheiben werden als städtebauliche Besonderheit mit „Signalcharakter“, als „Dokument der Nachkriegsarchitektur und des Nachkriegsstädtebaus“ hervorgehoben. Am Ende des Gutachtens wird der City-Hof mit Objekten gleicher Typologie und Epoche wie den Grindelhochhäusern oder dem Komplex der Hamburg Süd auf eine Stufe gestellt. Diesen objektiv nicht haltbaren Thesen muss widersprochen werden:

1.) Die städtebauliche Konzeption des City-Hofs mit den in engen Abständen senkrecht zum Sprinkenhof gestellten tiefen Hochhausscheiben auf einem zwei- bis dreigeschossigen Sockel ermöglicht in der Realität keinerlei „Blickachsen“ zum Kontorhausviertel. Hierzu müsste man sich 15 Meter über den Gleisanlagen des Hauptbahnhofs aufhalten und senkrecht durch die Hochhausschluchten blicken.

2.) Der City-Hof stellt einen klaren Bruch gegenüber dem als Weltkulturerbe eingetragenen Kontorhausviertel dar. Diese Gegensätzlichkeit hat sich in den vergangenen 60 Jahren keinesfalls bewährt und ist von einer überwältigenden Mehrheit der Öffentlichkeit, unabhängig von der Fassadenfarbe, über einen langen Zeitraum als Fremdkörper und Ärgernis angesehen worden. Es besteht kein Anlass, die gegenüber dem Kontorhausviertel kontrapunktische Haltung zu glorifizieren.

3.) Der Sockelbau mit der Tiefgarage und einer über mehrere Höhenstufen parallel zu zwei Straßen verlaufenden Passage war von Anfang an eine Fehlplanung und bereits kurz nach Fertigstellung vollkommen verödet.

4.) Der City-Hof ist in seiner städtebaulichen und architektonischen Qualität nicht mit den tatsächlich im Sinne eines „Aufbruchs in die Moderne“ nach dem Krieg entstandenen Hochhäusern wie etwa den Grindelhochhäusern oder den Bauten an der Ost-West-Straße vergleichbar und wurde zu seiner Entstehungszeit auch nicht so gesehen.

5.) Der City-Hof steht durch seine städtebaulichen Schwächen der dringend erforderlichen räumlichen und funktionalen Verknüpfung zwischen Innenstadt und östlichem Eingang zur HafenCity mit den unbedingt erforderlichen Entwicklungen am Deichtorplatz und am Burchardplatz entgegen.

Gerade an der nun aufgekommenen Debatte um das CommerzbankHochhaus lässt sich veranschaulichen, dass es Unterschiede hinsichtlich der Bewertung als Denkmal geben muss: Der Commerzbank-Bau ist neben dem ehemaligen IBM-Gebäude, dem „Spiegel“-Hochhaus, den Bürobauten von Hamburg Süd und Deutschem Ring einer der die Ost-West-Straße zu ihrer Entstehungszeit flankierenden markanten Bausteine. Diese wurden damals als sog. städtebauliche Dominanten in der „aufgelockerten Stadt“ platziert und dimensioniert. Der Com­- merzbank-Bau gehört zu den wenigen erhaltenen Dokumenten der Originalsubstanz an der ehemaligen Ost-West-Straße, eine der für Hamburg städtebaulich bedeutendsten, wenn auch unter heutigen Gesichtspunkten pro­blematischen Nachkriegsplanungen. Der Bau ist also im Gegensatz zum City-Hof Bestandteil einer großräumig angelegten gesamtstädtischen Planung und repräsentativ für die Entstehungszeit. Außerdem ist er im Original vollständig erhalten.

Der Begriff „Denkmal“ stellt in der öffentlichen Wahrnehmung einen absoluten Imperativ dar, dessen Begründung kaum hinterfragt wird. Diese Beurteilung wird gern unwidersprochen einer vermeintlichen Expertise überlassen, die kritiklos übernommen wird. Selbstverständlich darf Denkmalschutz nicht opportunistisch einzelnen Interessen dienen oder ausschließlich populären Strömungen des jeweiligen Zeitgeistes unterliegen. Letztlich wird er aber von seiner gesellschaftlichen Akzeptanz getragen. Diese ist stark gefährdet, wenn einerseits jahrelang um den Erhalt des City-Hofs gekämpft wird und andererseits eine Gründerzeitvilla nach der anderen an der Elbchaussee verschwindet.

Es reicht nicht aus, das, wie es im Denkmalschutzgesetz heißt, „öffentliche Interesse am Erhalt eines Objekts“ rein wissenschaftlich in Anspruch zu nehmen und mit dem Wert als „Dokument“ zu begründen. Das ist im Zweifel relativ einfach. Die amtliche Denkmalpflege kommt nicht darum herum, den Begriff „Qualität“ in ihre Betrachtungen einzubeziehen. Qualität ist keinesfalls mit dem Geschmack, über den sich nicht streiten lässt, gleichzusetzen. Der Architekturkritiker Manfred Sack hat dazu bemerkt: „Geschmack ist keine Gefühlsregung, sondern setzt ein Urteil voraus, das auf Wissen, Kenntnissen und Unterscheidungsfähigkeit basiert.“ Wer bedenkt, was den City-Hof von den Grindelhochhäusern unterscheidet, weiß, was gemeint ist.

Kritikwürdig am Verlauf des Investorenwettbewerbs um den City-Hof ist allerdings die mangelnde Transparenz des Verfahrens. Warum stellt man öffentlich statt eines städtebaulichen Klötzchenentwurfs keine attraktive und gut begründete Alternative zum City-Hof vor?