Warum ignorierte der Profi die Warnsignale von Joachim Löw?

Dass der Intelligenzquotient von Profifußballern nicht automatisch mit ihrem Bankguthaben ansteigt, wissen wir aus unzähligen Interviews. Das ist auch kein echtes Problem, solange das Leistungsvermögen in den Beinen zuverlässig abgerufen wird. Im Fall von Max Kruse jedoch mag die Frage erlaubt sein: Wie dumm kann ein 28-jähriger, also erfahrener, Kicker sein?

Gerade erst hatte Bundestrainer Joachim Löw von ihm gefordert, er möge sein Potenzial gefälligst nur noch auf dem Rasen abrufen. Und was macht der Angreifer? Er stürmt nach dem letzten Ligaspiel nachts um zwei Uhr auf die Tanzfläche eines Berliner Clubs und wundert sich, dass er fotografiert wird. Klassisches taktisches Fehlverhalten. Wer so offen wie der Nutella-Liebhaber der These neue Nahrung gibt, dass er seinem Beruf nicht professionell nachgeht, hat es nicht verdient, das DFB-Trikot zu tragen. Mal abgesehen davon, dass er auch Wolfsburgs Geldgeber schadet – VW kann derzeit alles gebrauchen, bloß keine schlechte PR.

Spannend ist allerdings der Nachsatz von Löw, er brauche Spieler, „die sich auch ihrer Vorbildrolle bewusst sind“. Fußballprofis als Vorbilder unserer Gesellschaft – da besteht Glatteisgefahr. Man stelle sich nur einmal vor, der frühere St.-Pauli-Profi Kruse hätte in der Nacht nach dem letzten Bundesliga-Spiel angetrunken in einer Hotellobby gegen eine Säule uriniert und sich mit einem Gast angelegt – die Nationalmannschaftskarriere wäre nach seinen jüngsten Eskapaden wohl endgültig beendet gewesen.

Dabei ließ Löw genau diese Aktion im Mai 2014 bei Kevin Großkreutz durchgehen. „Er ist noch jung, impulsiv, er hat Herz und Leidenschaft“, ­verteidigte Löw den damaligen Dortmunder und nahm ihn mit zur Weltmeisterschaft nach Brasilien. Die Vorbildfunktion war hier offensichtlich nicht ausschlaggebend. Wird auch Kruse eine letzte Chance erhalten?

Ob Fußballer überhaupt als Vorbilder taugen, ist eine andere Frage. Längst geht es nicht mehr nur um Werte wie Teamfähigkeit oder Fairness. Wo kann ich noch mehr verdienen? Welche Mittel muss ich für den maximalen Erfolg einsetzen? Diese Gedanken dominieren immer mehr bei Fußballern – wenn sie reflektieren.