Aufarbeitung nach Taylers Tod – erschreckendes Verhalten im Jugendamt Altona. Auch das Rauhe Haus hat versagt.

Gut zwei Monate haben sich die Prüfer der Jugendhilfeinspektion Zeit genommen, den gewaltsamen Tod des kleinen Tayler aus Altona-Nord aufzuarbeiten. Herausgekommen ist ein 52 Seiten umfassender Bericht, der schonungslos und zum Teil in erschreckender Weise das Versagen von Jugendamtsmitarbeitern im Bezirksamt Altona, deren Vorgesetzten sowie von Sozialpädagogen des Rauhen Hauses dokumentiert. Dass derart massiv gegen Vorschriften und gegen den gesunden Menschenverstand verstoßen wurde, ist angesichts der vielen gewaltsamen Todesfälle bei Kindern in Hamburg schlicht skandalös.

Jessica, Lara-Mia, Chantal, Yagmur – offenbar haben die Verantwortlichen in Altona nichts aus diesen Schicksalen gelernt. Es entsteht der Eindruck, dass die handelnden Personen weder die Biografien dieser Kinder noch die Fehler ihrer Kollegen zum Maßstab ihres Handelns gemacht haben. Dabei sind die Parallelen allein zum Tod von Yagmur frappierend. Beide Kinder sind vor ihrem Tod bereits wegen Misshandlungen in Krankenhäusern behandelt worden. Beide Kinder kamen in staatliche Obhut und wurden in Pflegefamilien betreut. Beide Kinder wurden in ihre Familien zurückgeführt, wo sie schließlich getötet wurden.

Man muss als Mitarbeiter eines Jugendamtes das Schicksal Yagmurs noch nicht einmal bis in die letzte Verästelung studiert haben, um seine Lehren daraus zu ziehen. Es reicht zu wissen, dass man es sich mit einer Entscheidung, ein offenbar misshandeltes Kind in seine Familie zurückzuführen, nicht so leicht machen sollte. Es hat keine kritischen Nachfragen von Kollegen oder Vorgesetzten gegeben. Die Fachkraft hat auf eigene Faust und ohne eine Prüfung eines möglichen Risikos entschieden, dass Tayler in seine Familie zurückkehren sollte.

Es steht außer Frage, dass die Verantwortlichen des gewaltsamen Todes des Babys nicht im Jugendamt Altona zu suchen sind, sondern in seiner Familie. Die strafrechtlichen Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, die Aufschluss darüber geben sollen, ob die Mutter oder ihr Lebensgefährte als Täter infrage kommt. Es ist sogar möglich, dass Tayler auch dann ums Leben gekommen wäre, wenn das Jugendamt alles richtig gemacht hätte. So brutal es ist: Wer sein Kind umbringen will, den kann auch das beste Jugendamt der Welt nicht daran hindern. Kein Jugendamtsmitarbeiter ist um die weitreichenden Entscheidungen zu beneiden, wenn es um das Wohl eines Kindes geht. Er muss sich auch irren dürfen, muss aber seine Ermessensentscheidung nach den geltenden Regeln herleiten.

Es mangelte in diesem Fall aber nicht an Regeln. Es gab auch keine überarbeiteten oder unerfahrenen Mitarbeiter. Es waren sogar 99 Prozent aller Stellen besetzt. Ganz offensichtlich herrscht im Jugendamt Altona die Vorstellung, dass Regeln nicht verbindlich sind. Und zwar von der Leitung bis zur Sachbearbeiterin. Es ist ja auch bislang alles gut gegangen. Gestorben sind die Kinder in anderen Bezirken.

Dass diese Einstellung ein Ende haben muss, ist offensichtlich. Spätestens nach der nächsten Untersuchung der Jugendhilfeinspektion im Fall des kleinen Deljo, der das mutmaßlich von seinen Eltern ausgelöste Schütteltrauma überlebt hat, wird es hoffentlich tiefgreifende Konsequenzen geben.

Von Altonas Bezirksamtsleiterin Liane Melzer (SPD) sind die erst einmal wohl nicht zu erwarten. Geradezu hilflos kündigte sie an, dass Regeln ab sofort einzuhalten seien. Nun sollen die Mitarbeiter in einer Art Workshop ihr Handeln aufarbeiten. Das zeugt weder von Durchsetzungskraft noch von einem Verständnis für die Jugendhilfe.