Warum auch in Deutschland die Entwicklung nicht zu verhindern ist, dass Live-Boxkämpfe nur gegen eine Extragebühr übertragen werden

Boxfans in Deutschland werden sich für die kommenden beiden Sonnabende kein ausschweifendes Abendprogramm ausgearbeitet haben. Von 22.20 Uhr an werden sie vor dem Fernseher sitzen und schauen, wie sich zwei der verbliebenen deutschen Altmeister schlagen. Zunächst Felix Sturm, der an diesem Sonnabend gegen den Russen Fedor Chudinov wieder Weltmeister im Supermittelgewicht werden will. Eine Woche darauf Marco Huck, der über den Briten Ola Afolabi im Cruisergewicht wieder an die Weltspitze möchte.

Wie gut es ihm damit geht, ist möglicherweise nicht jedem deutschen Boxfan bewusst. Denn während in anderen großen Faustkampfnationen wie den USA oder Großbritannien die Topstars nur gegen eine Extragebühr in die heimischen Wohnstuben flimmern, überträgt im Geiz-ist-geil-Land Deutschland das private Fernsehen frei Haus. Sturm vermarktet seit der Trennung vom seit 2012 insolventen Hamburger Universum-Stall seine Kämpfe in Eigenregie seit sechs Jahren bei Sat.1, Huck hat nach dem Abschied vom Berliner Sauerland-Team seine neue Heimat vor Kurzem bei RTL gefunden.

Dass Sport zur Grundversorgung gehört, ist in Deutschland ein ungeschriebenes Gesetz, an das sich gehalten wird. Zwar gewöhnt sich der Kunde langsam daran, dass ihm Live-Fußball aus der Bundesliga oder der ­Champions League überwiegend nur gegen Bares geboten wird, dennoch steckt das Bezahlfernsehen hierzulande im Vergleich zu den USA oder England immer noch in den Kinderschuhen. Wer in der „Sportschau“ zeitnah mit allen Bundesligatoren und von öffentlich-rechtlichen sowie privaten Sendern mit ­Live-Sport bisweilen rund um die Uhr ­versorgt wird, hat Schwierigkeiten, sich seine Umsonst-Mentalität abzugewöhnen.

Was für den Kunden gut ist, ist für die Profiboxer ein schlechtes Geschäft. Das Zustandekommen großer Kämpfe wird in Deutschland oft genug davon behindert, dass die Fixsummen, die das Fernsehen zahlt, schon für die Börse des heimischen Heroen draufgehen. Für einen Topgegner ist dann schlicht nicht ausreichend Geld übrig, sodass das Publikum zu häufig mit Mittelmaß abgespeist wird. Folge ist eine Übersättigung des durchschnittlich interessierten Fans, was wiederum zu sinkenden Einschaltquoten und noch weniger Geld im System führt. Ein Teufelskreis, der der Qualität des Sports schadet.

Längst haben Medienmacher und findige Boxpromoter wie Kalle Sauerland diesen Umstand erkannt und versuchen gegenzusteuern. Sauerlands Zugpferd Arthur Abraham verteidigt seinen WM-Titel im Supermittelgewicht gegen den Mexikaner Gilberto Ramirez am 9. April in Las Vegas, obwohl sein Promoter die Rechte am Kampf ersteigert hatte und ihn problemlos auch in Berlin hätte austragen können. Die Aussicht aber, dank der Anerkennung im Boxmekka USA mehr verdienen und bessere Kämpfe austragen zu können, ist Sauerland das Risiko eines Auswärtsspiels wert. Und Sat.1 erwägt, den Kampf erstmals nur gegen Gebühr live zu übertragen, um zu testen, welche Summen deutsche Fans für ihre Lieblinge zu bezahlen bereit sind.

Dass der Deutsche nationale Sieger braucht, ist bekannt, warum sonst würden sich Millionen anschauen, wie Menschen mit Gewehren auf Ski durch verschneite Wälder hecheln? Aber dass zum Wettkampf auch Gegner gehören, die der Fan kennt, diese Erkenntnis setzt sich immer mehr durch. Nachdem ARD und ZDF als Boxkanäle jahrelang sendeten, was ihre Exklusivpartner ihnen vorsetzten, dabei aber vergaßen, dem Fan auch das weltweite Kampfgeschehen nahezubringen, setzt Sat.1 mit seiner neuen Plattform „ran fighting“ endlich auf Rundumversorgung. Gegen Gebühr zwar, aber wenn das irgendwann dazu führt, dass wieder regelmäßig internationale Topstars in Deutschland antreten, hätten alle gewonnen, denen das Boxen am Herzen liegt.

Natürlich sollte niemand durch horrende Extrazahlungen von Live-Kämpfen ausgeschlossen werden. Aber etwas mehr als nichts sollten uns die Herren der Ringe schon wert sein.