Das Feuer zeigt: Auch dieses Stück Gegenkultur ist Hamburg

Der Stadtteil St. Pauli steht unter Schock. Es kommen Beileidsbekundungen aus aller Welt, Solidaritätsadressen, und noch vier Tage nach dem Feuer im Golden Pudel Club interessiert kein Thema die Hamburger Internetnutzer so sehr wie die Zukunft des ehemaligen Schmugglergefängnisses am St. Pauli Fischmarkt. Erst im Moment des Verlustes wird vielen gewahr, wie wichtig der Golden Pudel Club für das Lebensgefühl dieser Stadt ist – und wie sehr man daran hing.

Seit 1988 ist der Pudel Club eine „sich ständig selbst auffrischende Keimzelle von Unkultur“, wie es der Gründer Rocko Schamoni einmal im Gespräch mit der „Zeit“ formuliert hat; „etwas, was nicht maximal kommerziell und touristisch ist, sondern widerborstig und sonderbar“. Der Pudel ist ein Platz, den eine Metropole dringend benötigt – ein Stadtteil wie St. Pauli sowieso. Der abgeranzte Golden Pudel Club gehört eben zu Hamburg wie für andere das Postkartenidyll der Binnenalster: Dort haben junge Hamburger die Nächte durchtanzt, neue Bands erlebt, stundenlang Politik diskutiert oder einfach versonnen bis Sonnenaufgang auf der Treppe unterhalb der Hafenstraße gehockt. Die „Elbphilharmonie der Herzen“, das klingt nach wahnsinniger Hybris und ist doch wahr.

Wegen des Zerwürfnisses der Eigentümer und der anstehenden Zwangsversteigerung hing das Schicksal des Clubs schon länger am seidenen Faden – nach dem zerstörerischen Feuer vom Wochenende sind die Perspektiven noch schlechter geworden. Es sei denn, in dieser Stadt gibt es mutige Mäzene, die bereit sind, die Macher machen zu lassen und ihr Geld in Widerworte zu investieren. Oder es finden sich Zehntausende Retter wie bei der denkwürdigen Retter-Kampagne des FC St. Pauli im Jahr 2003 – vielleicht kann der Fußballclub ja helfen. Wenn alle Stricke reißen, sollte sich auch die Stadt die Frage stellen, was ihr Subkultur wert ist. Sie war es ja einst, die das Gebäude mit der Auflage einer kulturellen Nutzung verkauft hat. Und die heute deutlich höhere Beiträge für deutlich weniger lebendige Kultureinrichtungen zur Verfügung stellt.

St. Pauli ohne den Pudel? Das wäre der Introitus eines Requiems auf einen besonderen Stadtteil.

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