Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu Fiersbarg eröffnet Möglichkeiten zum Dialog
Ein Sprichwort sagt: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“. Der liebe Gott dürfte die Hamburger Verwaltungsrichter kaum beeinflusst haben, als sie am Montag erneut einen Baustopp für die Flüchtlingsunterkunft Fiersbarg in Lemsahl-Mellingstedt verkündeten. Dass die Juristen allerdings in stürmischen Zeiten Recht sprechen müssen, steht außer Frage.
Stürmisch sind die Zeiten, weil sich in immer mehr Stadtteilen Bürger gegen Pläne des rot-grünen Senats zur Wehr setzen, ohne Bürgerbeteiligung in der unmittelbaren Nachbarschaft größere Unterkünfte für Flüchtlinge zu errichten. Sieben Bürgerinitiativen haben bereits einen Dachverband gegründet, fünf weitere begehren die Aufnahme in die Organisation. Eine Volksinitiative – das ist der erste Schritt zu einem Volksentscheid – wird derzeit vorbereitet.
Die Stadt wiederum beruft sich bei ihren Plänen auf das von Bundestag und Bundesrat Anfang Oktober vergangenen Jahres geänderte Baurecht. Das sieht für die rasche und unbürokratische Errichtung von Flüchtlingsunterkünften inzwischen umfangreiche Ausnahmen vor.
Das Besondere an dem Urteil vom Montag war nun, dass die Verwaltungsrichter sich das erste Mal mit der Interpretation dieser Ausnahmen durch die Stadt beschäftigten und – zumindest im Fall Fiersbarg – den Behörden „enge Grenzen“ setzten, wie der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Andreas Dressel, zutreffend formulierte.
Die Stadt dürfe nicht unbegrenzt von bestehenden Bebauungsplänen abweichen, befanden Richter, und sie werden in wenigen Tagen ein zweites Mal entscheiden müssen. Dann steht der Plan des Senats, in Klein Borstel eine Unterkunft für 700 Flüchtlinge zu errichten, auf dem Prüfstand.
Das erstinstanzliche Urteil vom Montag, die Stadt wird dagegen wohl Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht einlegen, kann für die Behörden eine Chance sein. Der Staatsrat der Innenbehörde, Bernd Krösser, hatte schon vor einigen Tagen nüchtern erklärt, die Richter müssten entscheiden, ob die Stadt bauen dürfe, ob nicht oder unter welchen Einschränkungen. Jetzt weiß die Stadt es.
Wie es gehen kann, haben die Gespräche in Ohlstedt gezeigt. Dort hat die Stadt auf den ersten Blick eine Reihe von Zugeständnissen gemacht, aber in der Sache einen Erfolg erreicht. So soll zwar das Zeltlager für Flüchtlinge auf dem Ohlstedter Platz, in dem 420 Menschen leben, spätestens bis zum September aufgelöst werden. Allerdings kann die Stadt für einen Zeitraum von drei Jahren auf einer Naturschutzfläche, die eigentlich gar nicht bewohnt werden dürfte, 13 Holzhäuser für 490 Flüchtlinge errichten.
Die Betreiber des „Ohlstedtblogs“ sprechen zurecht vom „Leuchtturmcharakter“ dieser Einigung. Schließlich zeigt diese, „dass der Schutz der Natur und die Hilfe für Flüchtlinge sich nicht ausschließen müssen“. Aber nicht nur das. Bürger und Politik haben sich im Dialog geeinigt. Die Bürgerinitiativen vor Ort konnten darauf verzichten, sich vor Gericht zu wehren, weil die Vertreter der Stadt sie ernst nahmen.
Warum eigentlich sollte das in den anderen strittigen Fällen nicht auch gelingen? Niemandem kann daran gelegen sein, sich monatelang vor Gericht zu streiten. Das gilt vor allem angesichts eines möglichen Volksentscheids. Die Linken-Politikerin Christiane Schneider hat recht, wenn sie eine unnötige Polarisierung auf Kosten der Flüchtlinge fürchtet.
Der rot-grüne Senat hat jetzt die Möglichkeit, ohne Gesichtsverlust den Bürgerinitiativen die Hand zu reichen. Das Urteil der Verwaltungsrichter bietet dafür eine Chance.