Lange nicht mehr ist die maritime Wirtschaft so gefördert worden wie von der Regierung Merkel
Die Bundesregierung stellt derzeit eine Physikerin aus Mecklenburg-Vorpommern als Kanzlerin, einen niedersächsischen Volkshochschullehrer als Wirtschaftsminister und den Geschäftsführer eines Maschinenbauunternehmens aus Bayern als Verkehrsminister. Dass diese Kabinettszusammensetzung einmal zum Segen der deutschen Handelsschifffahrt werden könnte, war eigentlich nicht abzusehen. Es ist aber so. Selten zuvor hat eine Bundesregierung mit Unterstützung des Bundestags und des Bundesrats der maritimen Industrie hierzulande so fest unter die Arme gegriffen wie die schwarz-rote Koalition.
Die Liste der Wohltaten ist lang: Reeder müssen für ihre Besatzungen auf Schiffen unter deutscher Flagge keine Lohnsteuer mehr abführen. Sie werden von Sozialversicherungsbeiträgen entlastet. Wie Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den deutschen Reedern zugesichert hat, können sie künftig auch billigeres Personal auf den Schiffen einsetzen. Anstatt vier müssen nämlich nur noch zwei deutsche Seeleute zur Mannschaft auf Schiffen unter deutscher Flagge gehören. Auch der Einsatz eines Schiffsmechanikers ist dann nicht mehr Pflicht.
Schließlich werden sogenannte Erlöspools, in denen sich kleine Schifffahrtsunternehmen mit nur wenigen Schiffen zusammenschließen, von der Versicherungssteuer befreit. Eine solche Ansammlung an Wohltaten für nur eine einzige Branche hat Seltenheitswert.
Man muss schon 18 Jahre in die Vergangenheit zurückblicken, um eine ähnlich starke Unterstützung der maritimen Wirtschaft durch die Bundesregierung vorzufinden. Das war 1998 die Einführung der Tonnagesteuer. Sie entlastet seitdem die Reeder, weil ihre Gewinne aus den Schiffstransporten mehr oder weniger pauschal versteuert werden. Allerdings hat Berlin sein großes Füllhorn nicht aus reiner Güte geöffnet oder weil Merkel und Co. besonders große Freunde der Schifffahrt sind. Die Bundesregierung hat jedoch für sich erkannt, dass eine für die deutsche Wirtschaft extrem wichtige Branche in erhebliche Schieflage geraten ist.
Zwar müssen die Reeder ihre Zweireiher mit den Goldknöpfen noch nicht ins Pfandleihhaus tragen. Aber ihren Unternehmen geht es nach sieben Jahren Schifffahrtskrise zum Teil wirklich schlecht. Wie der „Tägliche Hafenbericht“, ein kleines, aber wichtiges Organ der maritimen Wirtschaft, kürzlich meldete, mussten deutsche Reeder im vergangenen Jahr 195 Schiffe verkaufen. Das sind knapp 20 mehr als 2014 – in der Regel waren es Notverkäufe.
Nun geht die Hilfe offenbar weiter. Nach den Reedern ist jetzt die Schiffbauindustrie dran, die seit mehr als einem Jahrzehnt einem erheblichen Konkurrenzdruck durch asiatische Werften ausgesetzt sind. Und wieder kommt der Anstoß zur Unterstützung aus Berlin. Der Hamburger Bundestagsabgeordnete und maritime Fachsprecher der CDU/CSU-Fraktion, Rüdiger Kruse, will in Hamburg ein Deutsches Maritimes Forschungszentrum (DMFZ) nach dem Vorbild des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) errichten. Setzt er sich mit seinem Vorstoß durch, ist das für Hamburg ein großer Gewinn, der die maritime Kompetenz der Hansestadt unterstreicht. Außerdem wird mit diesem Vorhaben ein lang gehegter Wunsch der Schiffbauindustrie und ihrer Zulieferbetriebe umgesetzt.
Das Zentrum soll zunächst einmal der besseren Vernetzung der maritimen Branche dienen, Forschungsprojekte koordinieren und den Zugang zu Fördertöpfen erleichtern. Das alles zeigt: Diese Regierung meint es mit der maritimen Branche wirklich gut. Jetzt ist die Wirtschaft gefordert. Sie muss mehr für Forschung und Entwicklung tun sowie neue Arbeitsplätze schaffen, und die Reeder müssen ihre Schiffe unter die deutsche Flagge zurückholen.
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