Der Sieg der 28-Jährigen bei den Australian Open ist ein Meilenstein fürs deutsche Tennis.
Ein emotionsloser Klotz hätte man sein müssen, um angesichts der Bilder aus Melbourne Tränen der Freude und Rührung zurückzuhalten. Als Deutschlands neuer Tennisstar, die Norddeutsche Angelique Kerber, am Sonnabendmorgen vors Mikrofon trat, um sich nach ihrem Triumph bei den Australian Open bei der ganzen Welt zu bedanken, da war wieder einmal die einende Kraft zu spüren, die dem Sport innewohnen kann.
Allem voran stand das beeindruckende Zeichen des Fairplay, das Serena Williams setzte. Die unterlegene Finalgegnerin gratulierte nicht nur artig, sie sprach bewegende Worte der Anerkennung, die in einem Wunsch gipfelten, der sich in der Tretmühle des Leistungssports leider nur schwer erfüllen lässt: Sie möge ihren Coup genießen, rief die US-Amerikanerin der Kielerin zu. Schon an diesem Wochenende muss Kerber allerdings mit dem deutschen Nationalteam in Leipzig im Fedcup antreten. Mehr als eine durchwachte Partynacht mit anschließendem Morgenbad im Melbourner Yarra-Fluss war deshalb nicht möglich, um den Triumph gebührend zu begießen.
Auch wenn sie den Erfolg, der sie an Position zwei der Weltrangliste katapultiert, sehr realistisch einordnete („Die beste Spielerin der Welt geschlagen und den Lebenstraum erfüllt – was will man mehr?“): Angelique Kerber wird Zeit brauchen, um das Erreichte zu verarbeiten. Sie wird alles tun, um so professionell wie möglich damit umzugehen, ihn immer wieder zu bestätigen. Schön wäre für sie, wenn sie es schaffen könnte wertzuschätzen, nun das neue Zugpferd eines erhofften Tennisbooms in Deutschland sein zu dürfen.
Wer das Glück hatte, die 28-Jährige persönlich kennenzulernen, der kann gar nicht anders, als ihr ihren ersten Grand-Slam-Titel aus tiefstem Herzen zu gönnen. Eine wie sie, die ihre gesamte Karriere lang hart an sich gearbeitet und es trotz aller Erfolge geschafft hat, bescheiden zu bleiben, verdient es so sehr, diesen Meilenstein gesetzt zu haben. Die erste Deutsche zu sein, die nach der Ära Graf/Becker/Stich ein Grand-Slam-Turnier gewinnt, das verdient schlicht: Hochachtung.