Ein Konzert-Ereignis zeigt Hamburg einen Weg ins Neue

Es gibt Konzerte, es gibt gute Konzerte, und es gibt Ereignisse. Ausgerechnet ein Auftritt zweier Klassik-Künstler, die sich um die klassischen Spielregeln nicht scheren, könnte eine wichtige Etappe auf dem Weg sein, den die Musikstadt Hamburg noch vor sich hat. Beim Laeiszhallen-Auftritt der Geigerin Patricia Kopatschinskaja mit dem Dirigenten Teodor Currentzis war – so sehr wie sehr lange nicht – die elementare Wucht von Musik zu spüren. Nicht nur im ungewöhnlich druckvollen Applaus, sondern erst recht in den Buhrufen, die es auf den radikal anderen Blick auf Beethovens radikale Musik abgesehen hatten.

Hier waren Zuhörer nicht nur wohlfeil sauer, weil sie wieder mal ihr Eintrittsgeld abnörgeln wollten. Ein verstörender, aufregend neuer Horizont hatte ihr Weltbild ins Wanken gebracht. Und mit verdorbener Freude an handelsüblicher Unterhaltung, die immer ihre Berechtigung hat, hatte das nichts zu tun. Es ging – und jetzt einen kleinen Tusch für die große Vokabel: um große Kunst. Um den einen entscheidenden Schritt weiter, ins Unbekannte, ins Freie, ins Unberechenbare. Und das in einem Saal, in dem jahrzehntelang viel Kulturschaffenden-Dienst nach Vorschrift gemacht wurde.

Knapp ein Jahr entfernt von der geplanten Eröffnung der Elbphilharmonie scheint dort einer von vielen sehr fest gezurrten Knoten geplatzt zu sein. Damit ist die gesellschaftlich wichtige Arbeit natürlich noch nicht getan; sich zurücklehnen und auf die Show-Wirkung des Neubaus hoffen ist jetzt nicht angezeigt. Ein Fotomotiv sorgt nicht dafür, dass Menschen jedes Alters strahlen vor Glück oder kochen vor Wut. Große Kunst schafft das.

„Musik ist gemacht für Menschen, die Fragen stellen“, hat Currentzis erkannt. Die Musikstadt Hamburg, die nun, endlich, Konturen annimmt, wird risikoverliebte Antworten geben müssen, in den wenigen verbleibenden Monaten bis zur Konzerthaus-Premiere und erst recht in den Jahrzehnten danach. Doch nur, wenn die Bürger dieser Musikstadt nicht zögern, immer neue Fragen an Kunst und Künstler zu stellen. Phlegmatische Museumswächter können sich nun gern weiter an ihre Klischees kuscheln. Die Musik spielt zukünftig woanders – und ohne sie.