Es ist so gut wie soweit: Nur noch ein Jahr, dann soll die Elbphilharmonie eröffnen

Ein Jahr noch. Nur ein Jahr noch, dann soll in der Elbphilharmonie tatsächlich das erste von zwei Eröffnungskonzerten zu erleben sein. Der 11. Januar 2017 wird den Beginn einer neuen, abenteuerlichen Ära markieren, das darf man nicht nur so pathetisch sehen, das muss man so sehen. Doch was dieser Auftakt für die Stadt Hamburg heißt – die nicht olympisch wird und jetzt erst recht ein Image-Update jenseits von Einkaufspassagen, Fischbrötchen, Hafen und Musicals benötigt – ist zu vielen zu unklar, immer noch. Die Blamagen und Planungskatastrophen, die selbstverliebten Komplettversager im Rathaus und in seinem Planungs-Umfeld sollen weder vergessen noch verdrängt werden. Und erst recht nicht harmlos gerechnet. Hamburg hat sich so böse blamiert, dass der Ruf dauerhaft ramponiert wurde. Folgen hatte ihr Gestümper nur für die wenigsten.

Dennoch: Bürgermeister Olaf Scholz und Kultursenatorin Barbara Kisseler haben bei der Beseitigung der Probleme Härte und Leidenschaft gezeigt und historische Größe bewiesen. Die Einigung mit den Architekten Herzog & de Meuron und dem Baukonzern Hochtief war alles andere als billig. Aber alternativlos. Als Investition in die Zukunft der Stadt – nicht nur in die Kultur, der man ja gern mal unnötige Spaßhaftigkeit unterstellt – wird die Elbphilharmonie mehr Rendite bringen, als selbst die engstirnigsten Zweifler und Gegner derzeit noch kritisieren. Auch das wird nicht umsonst zu haben sein. Doch nirgendwo löst wenig Bares so viel pures Glück aus wie in den vielen Sparten des Kulturbetriebs. Ist so. Kann jeder, gern täglich, in Konzerten, Theatern oder Museen testen.

Das Konzerthaus an sich ist nun so gut wie gebaut, die dazugehörige Musik- oder gar Kulturstadt noch nicht. Bei der städtischen Unterstützung des Betriebs, einer der letzten wichtigen Hürden, wird die Bürgerschaft nicht auf den letzten Metern am falschen Ende sparen dürfen. Sonst reißt man durch Knausern ein, was in jahrzehntelanger Arbeit am Elbufer aufgebaut wurde. Zuwenig zum Leben und zuviel zum Sterben hatte die Laeiszhalle jahrzehntelang; genau diese bräsige Ignoranz hat sie in Brahms’ Geburtsstadt programmatisch so blamabel vor sich hin dämmern lassen. Die Elbphilharmonie wird sich nie selbst tragen. Aber für die Stadt immer rechnen. Auch die privaten Elbphilharmonie-Spender und Mäzene – vom Millionenüberweiser bis zum Musikliebhaber, der zweistellig gibt – werden nun neue Tatsachen und Fortschritte sehen und hören wollen. Das „Haus für alle“ ist Chance und Aufgabe für alle. Musikstadt wird man nicht auf Knopfdruck oder weil es dreimal hintereinander in einer Senatsdrucksache steht. Musikstadt muss man sein wollen, in der Spitze wie in der Breite. Wer Musikunterricht in den Schulen vernachlässigt oder zuwenig oder minderwertigen Lehrstoff verabreicht, wird mit ästhetischer Verarmung nicht unter zwei Generationen bestraft werden. Und dann würde die Elbphilharmonie nur noch sein, was man ihr im Laufe der letzten Jahre schon vorsorglich vorgeworfen hatte: eine schöne, funkelnde, elitäre, aber leere, eitle, dumme Hülle. Die teuerste Mogelpackung seit Babel.

Ein Jahr noch, nur ein Jahr noch. Ein Jahr noch, dann ist übrigens nicht nur Elbphilharmonie-, sondern auch Telemann-Jahr. Auf dem Grab des spätbarocken Komponisten, der zu Lebzeiten europaweit gefeiert wurde, steht das Rathaus – und man muss schon gründlich hinsehen, um die Gedenkplatte zu entdecken. Viel Spaß beim Suchen. Ein hintersinnig schönes Symbol für die kulturellen Möglichkeiten, die Hamburg in den nächsten Monaten und Jahren schaffen und nutzen sollte. Dann klappt’s auch mit dem Niveau-Aufschwung.