Unser nördlicher Nachbar kehrt zu Grenzkontrollen zurück

Das neue Jahr beginnt, wie das alte endete – mit Hiobsbotschaften. Der Traum vom Europa ohne Grenzen stirbt einen Tod auf Raten. Gestern führte nur wenige Stunden nach Schweden auch Dänemark wieder Grenzkontrollen ein. Beiden Staaten geht es um die Drosselung des Zustroms von Flüchtlingen. Und doch unterscheidet beide nordeuropäische Partner einiges: Die Schweden haben bis jetzt eine Flüchtlingspolitik verfolgt, die der Humanität verpflichtet war, während Dänemark seit Jahren auf eine Politik der Abschreckung setzt. Im zurückliegenden Jahr kamen in Schweden rund 190.000 Flüchtlinge bei 9,7 Millionen Einwohnern an, in Dänemark waren es kaum 20.000 bei 5,6 Millionen Einwohnern. Die Schweden scheitern nun an der schieren Größe der Migration, die Dänen eher an der Enge ihrer Herzen.

Der Streit im Norden wirft ein Schlaglicht auf die Befindlichkeiten in Europa. Die dänische Abschreckungspolitik ist längst der Normalfall in Europa – im Vergleich zu vielen xenophoben osteuropäischen Staaten waren unsere nordische Nachbarn sogar noch großzügig. Mit Schweden aber ist das letzte offene Land neben Deutschland gekippt. Damit dürfte in den kommenden Monaten der Migrationsdruck hierzulande noch anwachsen. Und so steigt auch der politische Druck auf die Große Koalition in Berlin.

Man kann mit Recht die unsolidarische Politik in Europa anprangern, wird damit aber keinen Staat zur Änderung der Aufnahmepolitik veranlassen. Man kann viel über eine europäische Migrationspolitik reden, wird sie aber nur erreichen, wenn man den Partnern die Angst vor Überforderung und Überfremdung nimmt. Die Kompromisslinie ist vorgezeichnet – Flüchtlinge werden nur dann über Europa verteilt werden können, wenn zugleich die Grenzen gesichert werden und der Massenzuzug eingedämmt wird. Deutschland kann seine Politik der offenen Grenzen den europäischen Partnern nicht aufzwingen. Die Bundeskanzlerin muss sich bald entscheiden, ob sie wirklich die Welt verbessern kann oder ob sie zunächst nicht besser Europa retten sollte.

Sonst ist der Kontinent ohne Grenzen bald endgültig Geschichte.