Auf in den Streit! Mit ihrem harten Kurs gefährdet Sozialsenatorin Melanie Leonhard die Integration
Kompromissbereitschaft sieht anders aus. Mit deutlichen Worten hat Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) über Weihnachten den Bürgern der Stadt mitgeteilt, sie werde bis vor die letzte Gerichtsinstanz ziehen, um die von der Behörde geplanten Flüchtlingsunterkünfte durchzusetzen.
Zugleich ließ sie die Öffentlichkeit wissen, dass ein Ausgleich der Interessen von Staat und Anwohnern für sie kaum mehr möglich sei. Schließlich würden weder die Verwaltungsgerichte noch die Bürgerinitiativen mit Kompromissvorschlägen aufwarten.
Das stimmt so nicht ganz. In den vergangenen Wochen erklärten mehrere Bürgerinitiativen ihre Bereitschaft zum Kompromiss. Die Bürger von Neugraben-Fischbek boten verbindlich ihre Mithilfe bei der Integration von Flüchtlingen an, wenn statt 4200 nur 1500 Asylbewerber in dem Stadtteil untergebracht würden.
Vertreter der Bürgerinitiative „Gemeinsam in Poppenbüttel“ einigten sich in Gesprächen mit SPD und Grünen auf ein „Integrationspaket“, sollte die Behörde statt 1500 Flüchtlinge nur 850 in der Nachbarschaft ansiedeln.
Kompromisslos zeigt sich dagegen vor allem die Politik. Flüchtlingskoordinator Anselm Sprandel verwies schon bei seinem Amtsantritt darauf, er wolle durch Vergleichsangebote nicht „zu einer Kultur des Teppichhandels kommen“. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel sagte wiederholt, man könne über das „Wie“ der Integration reden, aber nicht über das „Wo“ und die Größe von Flüchtlingsheimen.
Mit ihrer Haltung begeben sich die politisch Verantwortlichen auf dünnes Eis. Integration von so vielen Menschen aus einem anderen Kulturkreis dauert Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, und wird ohne die Bereitschaft der Nachbarschaft noch schwerer zu stemmen sein.
Wenn Politiker von SPD und Grünen meinen, ihre auf Zeit geliehene politische Macht reiche aus, gegen die Interessen eines Teils der Hamburger die Unterbringung von Flüchtlingen organisieren zu können, gefährden sie letztlich die Integration der Zuwanderer. Die Menschen haben ein feines Gespür für Selbstherrlichkeit. Wenn Beamte aus den Behörden auf öffentlichen Veranstaltungen nur noch darüber informieren, dass eine Flüchtlingsunterkunft in der unmittelbaren Nachbarschaft errichtet wird, Einwände von Bürgern also keine Rolle mehr spielen, dann verwundert es wenig, wenn als Folge die Beteiligung an Wahlen sinkt.
Die rechtlichen Unsicherheiten sind dagegen wohl das kleinere Problem. Das Anfang Oktober vom Bundestag geänderte Baurecht lässt für die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften weitreichende Ausnahmen zu. Ob Hamburger Verwaltungsrichter ihre verfassungsrechtlichen Bedenken auch tatsächlich nach Karlsruhe tragen, werden ihre Urteile in den kommenden Wochen zeigen.
Bei der Versorgung von Flüchtlingen läuft in Hamburg vieles besser als beispielsweise in Berlin oder in anderen Bundesländern. Zudem ist über Weihnachten die Zahl der Flüchtlinge deutlich gesunken. So kamen seit Heiligabend lediglich 300 Asylbewerber in der Hansestadt an.
Nichtsdestotrotz steht die Stadt vor der Herkulesaufgabe, für alle Flüchtlinge akzeptable Wohnbedingungen zu schaffen. Dazu sind kreative Lösungen genauso notwendig wie Akzeptanz und Integrationsbereitschaft der Hamburger. Mit Kompromisslosigkeit wird man diese Herausforderung nicht meistern können. Daher sei die Frage gestattet: Was spricht eigentlich dagegen, die Kompromissangebote der Bürgerinitiativen anzunehmen?