Die Insolvenz der HSV-Handballer ist auch ein Beleg für die Monokultur im deutschen Sport

Es war ein Sonntag im Juni 2013, als die HSV-Handballer den größten Erfolg ihrer Geschichte feierten. Nach dem dramatischen Sieg über den FC Barcelona im Finale der Champions League tanzten Stars wie Torwart Johannes Bitter oder Kapitän Pascal Hens ausgelassen auf dem Parkett der Kölner Lanxess-Arena und ließen sich später auf dem Hamburger Rathausbalkon von Tausenden Fans feiern.

Zweieinhalb Jahre später sind die einstigen europäischen Handball-Könige pleite. Nach der Insolvenz könnte es im nächsten Spieljahr einen Neustart in der Nordstaffel der Dritten Liga geben – statt Kiel oder Flensburg würden die Gegner dann Altenholz oder Bernburg heißen.

Keine Frage: Der Absturz aus der europäischen Beletage in die Insolvenz ist in erster Linie hausgemacht. Der HSV Handball war schon in seinen Erfolgsjahren auf Gedeih und Verderb Mäzen und Investor Andreas Rudolph ausgeliefert, der mit Millionen sein Baby pamperte. Der Club lebte immer über seine Verhältnisse, die Spielergagen waren mitunter absurd. Am Ende, darauf war Verlass, zahlte Rudolph.

Als der eigenwillige Medizin-Unternehmer zunehmend die Lust an seinem Geschöpf verlor, war die Pleite nur eine Frage der Zeit. Der zurückgekehrte Manager Christian Fitzek versuchte zwar verzweifelt, den Verein mit einem Sparkurs und neuen Sponsoren von seinem Gönner zu emanzipieren. Für ein erfolgreiches Drücken der Reset-Taste hätte Rudolph allerdings ein letztes Mal die Verluste ausgleichen müssen. Dazu war er nicht bereit.

Dennoch wäre es zu verkürzt, das Finanzdrama um die HSV-Handballer allein auf die enttäuschte Liebe eines Mäzens zu reduzieren. Zur Wahrheit gehört auch, dass es für alle Profisportteams im Schatten des Fußballs immer schwerer wird zu überleben. Selbst Branchenprimus THW Kiel , der FC Bayern des Handballs, kämpft mit Finanzproblemen.

Kein Wunder, ist doch die Schere allein bei den TV-Einnahmen zwischen Fußball und dem Rest des Sports inzwischen absurd. Während die Bundesliga von 2017 an eine Milliarde Euro jährlich aus der Fernsehvermarktung kassieren will, müssen die Eishockeyclubs hoffen, dass ihre Spiele überhaupt noch live übertragen werden – der Vertrag mit TV-Partner Servus TV läuft aus. Ganze 350.000 Euro kassiert jeder Club noch pro Saison. Lächerlich im Vergleich zu Fußball-Dimensionen – und doch im Vergleich zu Tischtennis oder Volleyball ein Privileg. Dort übernehmen inzwischen Vereine die Produktionskosten, um überhaupt noch mit Bewegtbildern präsent zu sein.

Fehlende TV-Präsenz erschwert die Suche nach zahlungskräftigen Sponsoren immens. Und so könnten die Bundesliga-Volleyballerinnen von Aurubis schon im Frühjahr nach dem angekündigten Rückzug des namensgebenden Sponsors das nächste Opfer im Hamburger Sport werden.

Zugegeben: Hohe Einnahmen bedeuten keineswegs solide Finanzen, die Fußballer mit der Raute fahren gerade ihr sechstes Millionenminus in Folge ein. Aber sie kicken auf einem Wachstumsfeld, was immer die Hoffnung auf bessere Zeiten birgt. Borussia Dortmund, vor zehn Jahren Millimeter vor der Insolvenz, zählt inzwischen zu den prosperierendsten Clubs Europas.

Marktfetischisten mögen einwenden, dass auch der Profisport den Gesetzen der Ökonomie gehorchen muss. Aber die totale Fixierung auf den Fußball ist ungesund. Auch andere Sportarten brauchen publikumswirksame Vorbilder, um Kinder vor dem Vegetieren vor Computern und Handys zu bewahren. Olympia 2024 in Hamburg wäre eine Plattform für den Kampf gegen die Monokultur gewesen. Aber auch sie ist dahin.