Innen- und Sportsenator Michael Neumann denkt nach Olympia-Aus über Rücktritt nach.
Der Rekordhalter ist Heinz Ruhnau. Der spätere Lufthansa-Boss und Sozialdemokrat war fast acht Jahre lang, von Dezember 1965 bis September 1973, als direkter Nachfolger von Helmut Schmidt Hamburger Innensenator. Immerhin: Der aktuelle Amtsinhaber Michael Neumann (SPD) kommt auf fast fünf Jahre. Das ist deutlich länger als die Verweildauer der meisten seiner Vorgänger.
Der Posten des Präses der Innenbehörde am Johanniswall ist ein Schleudersitz. Fehlgeschlagene Polizeieinsätze (wie der Hamburger Kessel), spektakuläre Straftaten (wie die Ermordung des Staatsanwalts Wolfgang Bistry im Polizeipräsidium) oder polizeiinterne Skandale können einen Innensenator binnen Tagen in große Erklärungsnot und an den Rand des Rücktritts bringen. Häufig wird es dann sehr schnell politisch einsam um den Mann an der Behördenspitze (eine Senatorin gab es noch nicht).
Es ist überdies auch in der Alltagsroutine ein verzehrendes Amt, allein schon weil es eine Tag- und Nachtbereitschaft verlangt, um auf Krisensituationen angemessen und schnell reagieren zu können. Im Fall von Michael Neumann kommen zwei Belastungsfaktoren hinzu: Der sprunghafte Anstieg der Zuwanderung von Flüchtlingen stellt die Innenbehörde, zuständig für die Erstunterbringung, vor immense logistische Probleme. Und Olympia: Neumann hat sich in die Bewerbung der Stadt um das weltgrößte Sportfest buchstäblich hineingekniet. Es ist verständlich, dass sein Frust jetzt überbordend ist, wo die Hamburger per Referendum alle Olympia-Träume zerplatzen ließen.
Wahr ist allerdings, dass der Sozialdemokrat schon früher durchblicken ließ, dass er das Amt als Bürde, als Last empfindet. Das gilt jetzt nur umso mehr, wo die Kür Olympia entfällt und die Pflichten der Routine bleiben.
Dabei galt Neumann schon als Idealbesetzung, bevor der damalige SPD-Bürgerschaftsfraktionschef nach dem furiosen Wahlerfolg von Olaf Scholz 2011 ins Amt kam. Neumann war innenpolitischer Sprecher, also fachlich auf der Höhe. Und der Ex-Berufssoldat wird als Typus nicht nur bei Polizei und Feuerwehr akzeptiert, ihm nimmt man auch den Einsatz für die Sicherheit der Bürger ab.
Neumann hat auch deswegen einen der schwersten Jobs im Hamburger Rathaus übernommen, weil die Dauerregierungspartei SPD seit dem Sturz in die Opposition 2001 unter einem Trauma leidet: Die Ursache für den Machtverlust lag im Wesentlichen darin, dass viele Menschen den Sozialdemokraten nicht mehr zutrauten, für die innere Sicherheit zu sorgen. Das, so das SPD-Credo, dürfe sich nie wiederholen.
Neumann hat als Innensenator Scholz seit 2011 den Rücken frei gehalten. Auch wenn es bisweilen kräftig rumpelte, wie etwa bei der überstürzten, flächendeckenden (und bald wieder aufgehobenen) Einführung von Gefahrengebieten nach sehr gewalttätigen Demonstrationen. Alles in allem blieb das Thema innere Sicherheit weitgehend aus den Schlagzeilen. Allein deswegen wäre Neumanns Abgang für Scholz ein schwerer Verlust. Der Senator ist zudem ein politisches Schwergewicht, dessen Kompetenzen nicht bei Polizei, Feuerwehr und Verfassungsschutz enden. Und er ist einer der wenigen in der SPD, dessen Statur ihm erlaubt, Scholz zu widersprechen.
Politisch wäre ein Rücktritt jetzt das völlig falsche Signal. So kurz nach dem Referendum würde Neumann damit die politische Verantwortung für das Scheitern der Olympia-Pläne übernehmen. Referenden und Volksentscheide sind aber Sachentscheidungen und müssen es bleiben. Über Politiker wird nicht abgestimmt – anders als bei regulären Wahlen. Eine Überhöhung zu einem Plebiszit über Personen schadet der repräsentativen Demokratie.