Der aktuelle Rückgang der Flüchtlingszahlen sollte niemanden in Sicherheit wiegen

Der Rückgang der Flüchtlingszahlen auf den griechischen Inseln gewährt Europa eine Atempause und wird in einigen Tagen auch in Deutschland zu spüren sein. Sie sollte aber niemanden in Sicherheit wiegen. Allzu lange wird es nicht dauern, bis die Flüchtlinge einen neuen Weg gefunden haben. Der Druck auf Deutschland bleibt hoch.

Der Deutsche Städtetag tat am Donnerstag daher recht daran, nach seiner Sitzung in Hamburg den Blick nach vorn zu richten. Auch wenn bei der Erstaufnahme und Registrierung von Flüchtlingen längst noch nicht alles in geordneten Bahnen verläuft. Jetzt müssen Geld und Konzepte her, wie der „zweite Schritt“ – die eigentliche Integration – gelingen soll.

Es ist sicher Skepsis angebracht, wenn der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, verspricht, dass in fünf Jahren 50 Prozent und in zehn Jahren 70 Prozent der Flüchtlinge in den deutschen Arbeitsmarkt integriert sein werden. Das enthebt Städte und Kommunen jedoch nicht ihrer Pflicht, Sprach- und Arbeitsprogramme aufzulegen – und den Bund nicht seiner Pflicht, diese zu bezahlen.

Bis zu zwei Milliarden Euro soll allein die Unterkunft von Flüchtlingen, die dauerhaft in Deutschland bleiben können, in den kommenden zwei Jahren kosten. Davon jedenfalls geht der Deutsche Städtetag aus. Diese Ausgaben zu übernehmen – darum wird der Bund nicht herumkommen.

Politisch brisanter ist die Idee, für Flüchtlinge eine Art Residenzpflicht für die Zeit ihrer Teilnahme an Integrationsmaßnahmen einzuführen. Der Städtetag hat den Vorschlag nach den Worten seiner Präsidentin Eva Lohse in die Form eines Prüfauftrags an den Bund gekleidet. Asylberechtigte sollen also über eine gewisse Zeit sich ihren Wohnort nicht selbst aussuchen können. Hinter diesem Ansinnen steckt die verständliche Sorge, dass Flüchtlinge, deren Folgeunterbringung in ländlichen oder strukturschwachen Gebieten erfolgt, diese, sobald sie können, verlassen und in die Metropolen drängen.

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass Großstädte besonders vom Ansturm der Asylbewerber betroffen sind. Hamburg steht exemplarisch dafür. Während in der Hansestadt der Mangel an Flächen für Unterkünfte augenfällig ist und die Stadt an ihre grünen Reserven gehen muss, gibt es in weiten Landstrichen Schleswig-Holsteins oder Niedersachsens kaum Flüchtlinge. Oder um es noch anschaulicher zu machen: Der Leiter des Bezirksamts Harburg, Thomas Völsch, hätte weitaus weniger schlaflose Nächte, wenn er in seinem Bezirk lediglich so viele Flüchtlinge wie im ganzen benachbarten Landkreis Harburg unterbringen müsste.

Der Städtetag legt in einem weiteren Punkt den Finger in die Wunde. Um den Bau von Wohnungen – für Flüchtlinge und sozial Bedürftige – zu beschleunigen, muss das aktuelle Baurecht entschlackt werden. Den Städten und Gemeinden geht es dabei um Schnelligkeit und Kosten. Wendet man die bisherigen Regelungen an, können schon mal drei Jahre ins Land gehen, bis eine Fläche bebaut ist. Das ist angesichts der Herausforderungen, Hunderttausenden dauerhaft ein Dach über dem Kopf zu verschaffen, viel zu lange.

Allerdings müssen angesichts des großen Bedarfs an Sozialwohnungen auch die Baustandards auf den Prüfstand. Der Vorstoß der Städtetagspräsidentin, den Quadratmeterpreis einer neu gebauten Wohnung auf unter 2000 Euro zu drücken, verdient Unterstützung. Nur so wird Druck aufgebaut, die Regelungswut einiger Bundesbeamter, die regelmäßig bei der Energieeinsparverordnung zur Hochform aufläuft, zu kanalisieren. Möglicherweise profitiert ja am Ende der gesamte Wohnungsbau von der Flüchtlingskrise.