Krümel gegen Goliath: Eine Glosse von Bettina Mittelacher
Krümel, so heißt er. Was soll man da schon groß erwarten, wenn ein Hundebesitzer sein Tier so nennt? Jedenfalls nichts Gewaltiges. Sehr wahrscheinlich doch wohl einen Vierbeiner im XS-Format, einen Winzling, der wild kläffend versucht, sich wenigstens einen Hauch von Respekt zu verschaffen – und der locker in eine Damenhandtasche passen würde.
Doch als hinter mir die Erde zu beben begann und ein sattes, tiefes Grollen die bis dahin idyllische Stimmung beim Abendspaziergang zerriss, wurde mir klar: Da war etwas Stattliches im Anmarsch. Von „Krümel“ konnte keine Rede sein; die kapitale Dogge, die da angeprescht kam, hätte eher Titan oder Brutus heißen sollen. Was lässt diese willentliche Irreführung über den Hundehalter vermuten? Minderwertigkeitskomplexe? Größenwahn? Oder ein spezieller Humor, dem nicht jeder etwas abgewinnen kann?
Dabei können sich Herrchen und Frauchen doch schon bei den Sprüchen für Hundegeschirre austoben, die in jedem gut sortierten Laden zu haben sind. „Ich war’s nicht“, „Kampfschmuser“, „Herzensbrecher“, „Azubi“ oder „Blondenführhund“ steht dort etwa.
Oder auch: „Der will nur spielen.“ Diese Eigenschaft wurde auch der Dogge namens Krümel angedichtet, wie an dem Lederriemen um ihre Brust zu lesen war. Mag sein, dass sie wirklich eine Seele von Hund ist und sanft wie ein Lamm. Doch bei den riesigen Maßen in Kombination mit den spitzen Zähnen bleibe ich lieber auf Abstand, sicher ist sicher. Da halte ich mich besser an Goliath, einen anderen Hund aus unserer Nachbarschaft. Der klingt zwar gewaltig – ist er aber nicht. Eher ein Hund im XS-Format.