Der Kiezclub profiliert sich mit einem brisanten Antrag

Es ist bekannt, dass Rudi Völler ziemlich leicht zu reizen ist. Seine Wutrede als DFB-Teamchef gegen ARD-Moderator Waldemar Hartmann ist legendär, kürzlich behandelte Völler Sky-Moderatorin Jessica Kastrop höchst arrogant. Um jedoch von Bayer Leverkusens Sportchef als „Schweinchen Schlau“ tituliert zu werden, muss man schon etwas leisten. Dies kann Andreas Rettig, einst selbst in Leverkusen ausgebildet, jetzt für sich in Anspruch nehmen. Der Geschäftsführer des FC St. Pauli hat gemeinsam mit Vereinspräsident Oke Göttlich mit dem Antrag, bei der Verteilung der Bundesliga-Fernsehgelder die von Konzernen oder privaten Investoren mehrheitlich beherrschten Clubs künftig schlechter zu stellen, ein Zeichen gesetzt.

Es war ein Stich ins Wespennest, wie die reichlich aufgeregten Reaktionen der Betroffenen zeigen. Dabei ist es schon absurd, dass Clubs, die wie der unpopuläre VfL Wolfsburg Jahr für Jahr wirtschaftlich fast bedenkenlos über ihre wahren Verhältnisse leben können, jetzt dem FC St. Pauli die „Aufkündigung der Solidargemeinschaft“ vorhalten. Allein durch die Ausnutzung der für sie geltenden und an sich schon höchst fragwürdigen Ausnahmeregelung vom 50+1-Gebot bewegen sie sich ja selbst außerhalb dieser jetzt so pathetisch beschworenen Gemeinschaft.

Es ist keineswegs eine gewagte These, dass eine Reihe anderer Vereinschefs ähnlich wie St. Paulis Führung über die Sonderregelung für Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg, TSG Hoffenheim und ab 2017 womöglich auch Hannover 96 denken. Die Frage war nur, wer den Mut und gleichzeitig den fachlichen Hintergrund besitzt, in dieser Frage den Finger in die Wunde zu legen. In Person von Geschäftsführer Andreas Rettig hat der FC St. Pauli jetzt eben diese Kompetenz in den eigenen Reihen, um im Kreise des Ligaverbandes mehr zu sein als nur der skurrile Farbtupfer vom Kiez, den man abschätzig belächeln kann, wenn es um wichtige Dinge geht.

Auch wenn der aktuelle Antrag in der scharfen oder auch abgemilderten Form am 2. Dezember keine Mehrheit finden sollte, hat sich der FC St. Pauli mit der Initiative profiliert und dafür gesorgt, dass ein Zustand diskutiert wird, mit dem viele unzufrieden sind.